Alles fließt – mal mehr, mal weniger
Acrylfarbe ist der Tausendsassa unter den Farben: Ihre Entwicklung seit den 1950er-Jahren kam einer Revolution gleich, und ihre Vielseitigkeit kennt kaum Grenzen: Acrylfarben sind unkompliziert in der Handhabung, trocknen schnell, sind beständig und gleichzeitig flexibel.
Sie sind mit Wasser verdünnbar, trocknen jedoch wasserfest und ohne Risse auf. Besonders interessant sind ihre reichen Textureffekte: Acrylfarben können ganz traditionell in hauchzarten Lasuren oder als schweres Impasto aufgetragen werden – und in allen Nuancen dazwischen. Acrylfarben lassen sich tropfen, spritzen, sprühen und schaben, kurz: Mit ihnen bekommen Künstlerinnen und Künstler eine Farbe an die Hand, mit der sie all ihre Vorstellungen umsetzen können. Natürlich sind dabei die handelsüblichen Malmittel behilflich, die Glanz verleihen oder Transparenz, die für mehr Stand sorgen oder die Trocknung verzögern, um nur einige zu nennen. Doch die eigentlichen Stars sind die Acrylfarben selbst in ihren unterschiedlichsten Konsistenzen – die Bandbreite reicht von tintenflüssig bis hin zu buttrig-geschmeidig.
Ob High Flow oder Heavy Body – die Viskosität als Maß der Zähflüssigkeit bestimmt, wie sich die Farbe in der Verarbeitung anfühlt, wie sie sich verhält und welche haptischen Spuren sie hinterlässt: Fließt sie rasch über den Malgrund und trocknet zu einem glatten Farbfilm auf oder hinterlassen Pinsel, Malmesser und Spachtel noch nach dem Trocknen sicht- und fühlbare Spuren? Zum Verständnis dieser Fragen ist ein kurzer Ausflug in die physikalischen Zusammenhänge nötig. Der wichtigste Punkt betrifft die schon erwähnte Viskosität der Farbe, die für die Fließcharakteristika und somit direkt auch für die Verarbeitungseigenschaften entscheidend ist.
Acrylfarben bestehen – stark vereinfacht – aus Pigmenten und Binde- und Verdickungsmitteln, die zu den Feststoffen zählen und ganz unterschiedlich sein können. Im Prinzip gilt: Je mehr Feststoffe in der Farbe, desto höher die Viskosität und pastoser die Farbe und somit auch zäher ihr Fließverhalten. Bei niedriger Viskosität fließt die Farbe stärker und nivelliert sich schneller zu einem glatten Farbauftrag. Die hohe Kunst der Farbenherstellung liegt darin, trotz unterschiedlicher Viskosität, bedingt durch unterschiedliche Zusammensetzung der Feststoffe, die identische Pigmentierung und Leuchtkraft der Farben zu erzielen – also auch mit flüssigen, schnell fließenden Inks und Tuschen eine gleichbleibend hohe Farbintensität zu bieten. Dass diese Prozesse und ihre Ingredienzen wohlgehütete Betriebsgeheimnisse der Produzenten sind, versteht sich von selbst.
Aus der unterschiedlichen Viskosität ergeben sich somit mannigfaltige Möglichkeiten im künstlerischen Schaffensprozess: Während sich High-Flow-Acrylfarben ineinanderfließend spielend miteinander verbinden, muss eine pastose Heavy-Body-Acrylfarbe manuell vermischt werden und eignet sich auch für Techniken, in denen die Farben für sich allein stehen.
Den unterschiedlichen Konsistenzen tragen die verschiedenen Verpackungen Rechnung: Acrylfarben sind natürlich in Tuben erhältlich, in Dosen und Flaschen mit normalen und feinen Aufsätzen und in handlichen Softpacks, aus denen die Farbe auch unter hohem Druck auf den Malgrund aufgebracht werden kann, etwa bei Dripping-Techniken.
Insgesamt steht heutzutage eine große Bandbreite von Acrylfarbrezepturen zur Verfügung, von deren Qualität und Güte sich jede Künstlerin und jeder Künstler selbst überzeugen kann.