Cosima Hawemann hinterfragt in ihren Arbeiten unsere Sehgewohnheiten
Mit gedeckten Farben, geheimnisvoll-nebulösen Landschaften und seltsam unergründlichen Figuren verleiht Cosima Hawemann ihren Gemälden und Papierarbeiten eine mystische Aura.
Etwas Vertrautes geht von Cosima Hawemanns vielschichtigen Bildern aus, das sich, kaum hat man es erfasst, auch schon wieder entzieht: Hier ein schemenhaft auszumachendes Boot in einer farblich verfremdeten Landschaft, dort ein fotorealistisches Auge in einem maskenhaft modifizierten Gesicht. Figuren und Objekte scheinen sich im Bildhintergrund aufzulösen oder aus ihm herauszutreten. Traumähnliche, wie mit Schärfentiefe festgehaltene Momente, die im Augenblicklichen auf schon Vergangenes und noch Zukünftiges verweisen, formieren sich in unterschiedlicher Intensität oder verlieren sich im farbwabernden Bildraum. Cosima Hawemann spielt mit unseren Sehgewohnheiten. Ihr Thema sind Spannungsfelder. Das Vage, Uneindeutige, Schwebende in ihren Motiven entspringt ihrem Interesse an der Wirkung unterschiedlicher Kräfte wie abstrakt und figürlich. „Ich verbinde in meinen Arbeiten die Fotografie mit der gestischen Malerei,“ sagt die Künstlerin, die mit dem Ziel Regisseurin zu werden, zunächst Deutsch, Englisch und Philosophie studiert und studienbegleitend als Regieassistentin an verschiedenen Theatern gearbeitet hat. Die Malerei, ihr Ausdrucksmittel seit Kindheitstagen, nahm jedoch zunehmend Raum ein – Cosima Hawemann bewarb sich an der Kunstakademie in Düsseldorf, wurde angenommen und studierte bei so unterschiedlichen Professoren wie Helmut Federle, A.R. Penck und Jörg Immendorff.
„Das, was ich heute mache, ist genau das, was ich machen möchte.“
Wie Collagen kombiniert Cosima Hawemann in ihren Werken die fotografischen Elemente mit den malerischen, indem sie souverän auf ein Spektrum verschiedener Techniken aus beiden Bereichen zugreift. Ausgangspunkt jeder Arbeit ist eine Fotografie, die sie im Falle der Landschaften selbst fotografiert oder für ihre Porträts in Druckerzeugnis gefunden hat, wie wir sie aus unserem Alltag kennen. Das gewählte Motiv wird eingescannt. Von einigen der digitalen Scans erzeugt Cosima Hawemann für zwei verschiedene Serien Negative, indem sie die Farben am Computer umkehrt: „Manche funktionieren nur im kleinen Format, andere auch als großes Format auf Leinwand.“
In ihrem rheinnahgelegenen Atelier im Kölner Süden geben Werke in unterschiedlichen Arbeitsstadien Einblick in Cosima Hawemanns Vorgehensweise und zeugen von dem (zeit-)intensiven analogen Schaffensprozess in unterschiedlichen Techniken: Zunächst wird das zentrale Motiv im Siebdruckverfahren auf die Leinwand gebracht, weitere Komponenten mittels Schablonen aufgesprüht. Mit aquarellhaft verdünnten Acrylfarben und beigemischten oder pur angerührten Pigmenten wird anschließend in unzähligen lasierenden Schichten gestisch am abstrakten Hintergrund und an Übermalungen der konkreten Bildelemente gearbeitet. Mit jeder Schicht gewinnt der nebulöse Zwischenzustand des farbigen Bildhintergrunds an Ausdruckskraft, während Figuren oder Objekte ihre charakteristischen Merkmale zunehmend verlieren.
In den so auf Gesten und Haltungen reduzierten Körpern formuliert Cosima Hawemann ein Spiel mit der Inszenierung, dem sie auch in ihren ebenfalls am Computer verfremdeten, mit Acryl und Pigmenten teils ironisch übermalten Papierarbeiten nachgeht. Die Ausgangsmotive dieser eigenständigen Werkgruppe findet sie zumeist in den Fotografien von Modezeitschriften, in denen die Inszenierung bereits gegeben ist. Hier wird die Affinität der Künstlerin zum Filmischen am deutlichsten spürbar.
Was ist Wirklichkeit? Was ist Illusion? Was sehen wir? Was sollen oder wollen wir sehen? Mit ihren assoziationsdichten Bildern hinterfragt Cosima Hawemann nicht nur Sehgewohnheiten, sie thematisiert auch anspielungsreich die Wirklichkeit der Bilder und lotet diese in der Film-, Fotografie- und Kunstgeschichte bis heute immer wieder diskutierte Frage mit ihren Mitteln aus. Antworten gibt Cosima Hawemann nicht.
Der Text basiert auf der Reportage über den Atelierbesuch bei Cosima Hawemann, erschienen im boesner Katalog Ausgabe 2020/21.
Aktuelle Ausstellung
Cosima Hawemann. PENTIMENTALREISE
18.02.2024 – 02.06.2014
Kunstsammlung Neubrandenburg
Große Wollweberstraße 24
17033 Neubrandenburg
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