Ausstellung

Selbst der „Führer“ entspannte im Bauhaus-Stuhl

Mit einer dreiteiligen Ausstellung erkundet die Klassik Stiftung Weimar das Verhältnis von Bauhaus und Nationalsozialismus. Das überraschende Fazit: Zwischen linksorientierter Reformschule und Nazi-Ästhetik, zwischen Bauhäuslern und NS-Parteigängern gibt es mehr Parallelen als gedacht.

Alice Glaser studierte 1928/29 am Bauhaus in Dessau – dorthin hatte die 1919 in Weimar gegründete Reformschule ihren Sitz im Jahr 1925 verlegt. Nach drei Semestern ging die vielseitige jüdische Künstlerin, deren Ehe mit einem Mediziner gescheitert war, nach Berlin. Den Lebensunterhalt für sich und ihre Tochter Marianne verdiente sie als Innenarchitektin und Schaufenstergestalterin. 1939 arrangierte Alice Glaser die Flucht der 17-Jährigen nach Bolivien. Als Abschiedsgeschenk gab ihr die Mutter ein eigenhändig angefertigtes Kartenspiel mit, ein Tierquartett, mit dessen Hilfe sich Vögel, Fische oder Hunde unterscheiden lassen. 1941 wurde Alice Glaser von den Nazis ins weißrussische Ghetto Minsk deportiert, wo sie zu einem unbekannten Zeitpunkt ums Leben kam. Das neue Tierquartett, wie die Künstlerin ihr reizendes und anrührendes Spiel mit aquarellierten Darstellungen nannte, wird nun erstmals öffentlich gezeigt – als Exponat der Ausstellung „Bauhaus und Nationalsozialismus“, die sich über drei Museen der Klassik Stiftung Weimar verteilt.

Blick in die Sonderausstellung „Bauhaus und Nationalsozialismus“ im Museum Neues Weimar Foto: Thomas Müller

Blick in die Sonderausstellung „Bauhaus und Nationalsozialismus“ im Museum Neues Weimar
Foto: Thomas Müller

Auch Fritz Ertl war am Bauhaus Dessau eingeschrieben – seine Studienzeit überschneidet sich sogar mit der von Alice Glaser. Die Ausbildung schloss der Österreicher 1931 als Diplom-Architekt ab. Wenige Jahre später wurde der SS-Mann zum gewissenlosen Mörder im großen Stil: Als stellvertretender Leiter der „Sonderbauleitung für die Errichtung eines Kriegsgefangenenlagers der Waffen-SS in Auschwitz“ skizzierte er beispielsweise 1941 den ersten Lageplan für das größte deutsche Vernichtungslager im NS-Staat. Die dortigen Krematorien bezeichnete Ertl laut Besprechungsprotokoll als „Badeanstalten für Sonderaktionen“. Nach Kriegsende blieb er jahrzehntelang unbehelligt. Erst 1972 wurde Fritz Ertl vor ein österreichisches Gericht gestellt. Der Prozess endete mit einem Freispruch. Dem SS-Architekten, der sich skrupellos in die Mordmaschinerie einspannen ließ, attestierte der Richter, er habe nicht zu den „geistigen Urhebern“ der Gaskammern gehört. Ertl starb 1982.

Widersprüchliche Wege

Zwei Bauhaus-Biografien, zwei Lebenswege, die unterschiedlicher nicht verlaufen könnten. In gewisser Weise sind sie typisch für die Ausstellung in Weimar: Anke Blümm, Elizabeth Otto und Patrick Rössler, die Kuratoren der materialreichen Schau, zeichnen ein Bild der Bauhäusler in der NS-Zeit, das sich jeder Schwarzweiß-Malerei widersetzt. Und sie korrigieren die weitverbreitete Ansicht, jene, denen in den zwanziger und frühen dreißiger Jahren  am Bauhaus die Grundlagen von Architektur, Malerei, Design oder Kunsthandwerk vermittelt wurden, seien durch die Bank entschiedene Gegner des Nationalsozialismus gewesen. Nach 1933 hätten sie sich, so das gängige Narrativ, der totalitären Ideologie widersetzt – entweder durch äußere oder durch innere Emigration. Dass die Lehrer und Studenten am Bauhaus als Vorhut der Moderne in natürlicher Opposition zum dumpf-reaktionären Faschismus gestanden seien, das verkündete Walter Gropius (1883–1969), Gründer der Schule, bis an sein Lebensende.

So hieß es denn im Katalog der Ausstellung „50 Jahre Bauhaus“, die 1968 im Württembergischen Kunstverein Stuttgart stattfand, in typischer Bauhaus-Schreibweise über die Mitglieder der Schule: „nur von etwa einem prozent ist bekannt, daß sie mehr als ein lippenbekenntnis zum dritten reich abgelegt haben“. Dank der akribischen Recherche der Weimarer Ausstellungsmacher wissen wir nun, dass von den rund 1200 Studierenden, die das Bauhaus an seinen drei Standorten Weimar, Dessau und Berlin besuchten, 188 in die NSDAP eintraten. Immerhin 15 Prozent! Von bedauernswerten, aber eben nicht typischen Ausnahmefällen kann also keine Rede sein.

Blick in die Sonderausstellung „Bauhaus und Nationalsozialismus“ im Bauhaus Museum Weimar Foto: Thomas Müller

Blick in die Sonderausstellung „Bauhaus und Nationalsozialismus“ im Bauhaus Museum Weimar
Foto: Thomas Müller

Hakenkreuz statt Bauhaus-Logo

Selbstverständlich muss man sich davor hüten, aus unserer heutigen bequem-sicheren Warte verächtlich über jene zu urteilen, die sich in und mit der Diktatur arrangierten, um einigermaßen durchs Leben zu kommen. Doch nicht alle ehemaligen Bauhäusler, die das von Oskar Schlemmer entworfene Logo der 1933 aufgelösten Reformschule gegen das Hakenkreuz ausgetauscht hatten, waren bloße Mitläufer. Manche entpuppten sich sogar als unbeirrbare Nazis – zu ihnen gehört neben Ertl der Maler Heinrich Basedow der Jüngere (1896–1994).

Heinrich Basedow: Möwe mit Kutter, 1936, Privatbesitz Foto: Sammlung Dr. Heinz Müller im Potsdam Museum – Forum für Kunst und Geschichte

Heinrich Basedow: Möwe mit Kutter, 1936, Privatbesitz
Foto: Sammlung Dr. Heinz Müller im Potsdam Museum – Forum für Kunst und Geschichte

„Die Schaffung der SA ist eine der größten Wundertaten der ganzen Weltgeschichte“, erklärte der Fanatiker 1932. Dass sein moderat modernes, im Stil der Neuen Sachlichkeit gehaltenes Bild Möwe mit Kutter 1937 keine Aufnahme bei der ersten Großen Deutschen Kunstausstellung (GDK) fand, bedeutete eine herbe Enttäuschung für den Maler, der 1919 zum ersten Jahrgang der Bauhaus-Studierenden gehört hatte – zu seinen Lehrern zählten Lyonel Feininger, Gerhard Marcks und Johannes Itten.

So wie das Erstarken der NSDAP ein Prozess war, der sich durch die gesamten Zwanzigerjahre zog, so stieß auch das Bauhaus schon von Beginn an auf Ablehnung, ja auf Hass. Dieser Vorgeschichte widmet sich der Ausstellungsteil im Museum Neues Weimar, betitelt „Politische Kämpfe um das Bauhaus. 1919−1933“. Zum Sommersemester 1919 war die Ausbildungsstätte mit 84 Studentinnen, 79 Studenten und viel Euphorie in Weimar an den Start gegangen. Walter Gropius hatte die dortige Hochschule für Bildende Kunst und die Kunstgewerbeschule im „Staatlichen Bauhaus in Weimar“ zusammengeführt. „Kunst und Handwerk – eine neue Einheit“, so lautete das am mittelalterlichen Bauhütten-Gedanken angelehnte Motto – später sollte es ersetzt werden durch die pragmatischere Parole „Kunst und Technik, eine neue Einheit“.

Blick in die Sonderausstellung „Bauhaus und Nationalsozialismus“ im Schiller-Museum Foto: Thomas Müller

Blick in die Sonderausstellung „Bauhaus und Nationalsozialismus“ im Schiller-Museum
Foto: Thomas Müller

Streit schon von Beginn an

Bereits im Dezember 1919 sorgte der sogenannte „Bauhausstreit“ für eine Eintrübung der Hochstimmung. Worum es dabei ging? In einem Vortrag hatte der Student Hans Gross gegen den „Internationalismus“ der Schule gewettert und ein „deutsches Bauhaus“ gefordert. Zwar verwies Gropius den Chauvinisten von der Schule und beharrte darauf, das Bauhaus möge sich aus dem politischen Tagesgeschehen heraushalten, doch es half nichts. Spätestens als reaktionäre Kräfte bei der Thüringer Landtagswahl von 1924 die Oberhand gewannen und die sogenannte „Ordnungsbundregierung“ bildeten, geriet die „Kathedrale des Sozialismus“, wie das Bauhaus in Weimar schon früh verunglimpft worden war, in existenziell bedrohliches Fahrwasser.

Blick in die Sonderausstellung „Bauhaus und Nationalsozialismus“ im Bauhaus Museum Weimar Foto: Thomas Müller

Blick in die Sonderausstellung „Bauhaus und Nationalsozialismus“ im Bauhaus Museum Weimar
Foto: Thomas Müller

1930 spitzte sich die Lage weiter zu: Der neu gebildeten thüringischen Landesregierung gehörte zum ersten Mal die NSDAP an: Unverzüglich ernannte der NS-Innenminister Wilhelm Frick den Architekten Paul Schultze-Naumburg, Verfasser der Hetzschrift „Kunst und Rasse“, zum Direktor der Weimarer Bauschule, Nachfolge-Institut des Staatlichen Bauhauses, das 1925 eine neue Heimstatt in Dessau gefunden hatte. Sogleich ordnete Schultze-Naumburg an, die Wandgestaltung von Oskar Schlemmer im Treppenhaus entfernen zu lassen. Der Maler und Bühnenbildner, von 1920 bis 1929 als Meister am Bauhaus in Weimar und Dessau tätig, wurde nach 1933 ins künstlerische Abseits getrieben. Mit Reklamebildern wie dem Feuerschiff im Trockendock in Wilhelmshaven, das er 1940 für die Lackfarben-Firma Dr. Kurt Herberts malte, versuchte Schlemmer mehr schlecht als recht über die Runden zu kommen.

Die Landesfrauenarbeitsschule als Vorzeigebau

Wie nahtlos Bauhaus-Gebäude für nationalsozialistische Zwecke umfunktioniert werden konnten, das lässt sich im Museum Neues Weimar anhand der Nutzungsgeschichte eines Baus studieren, der zu den Ikonen der Architektur des 20. Jahrhunderts zählt. Mir nichts, dir nichts mutierte das von Gropius entworfene Bauhaus-Gebäude in Dessau 1933 zur Landesfrauenarbeitsschule. 1934 war sie eines der Motive der NS-Postkartenserie „Aus deutschen Landen“. Anstoß genommen hat daran offenbar niemand.

Dass die Nationalsozialisten mit dem Bauhaus-Motto „Form follows function“ nicht per se auf Feindesfuß standen, demonstriert im Schiller-Museum eindrücklich eine Reihe von Aufnahmen, die Heinrich Hoffmann, der Leibfotograf Hitlers, auf dem Obersalzberg gemacht hat. Hier präsentiert sich der „Führer“ ganz entspannt, sitzend auf einem Stahlrohrstuhl der Firma Thonet. Entworfen hatte den Stuhl ein Mitarbeiter von Marcel Breuer, der von 1925 bis 1928 die Möbelwerkstatt am Bauhaus leitete. Unter dem Motto „Hitler abseits vom Alltag“ wurde das Bauhaus-Möbel im „Völkischen Beobachter“ als vorbildliches Wohnaccessoire angepriesen. Ein besonders krasses Beispiel für die Janusköpfigkeit, die das Verhältnis zwischen NS-Staat und Bauhaus-Erbe kennzeichnet.

Erst aussortiert, dann vernichtet

Paul Klee: Sterbende Pflanzen, 1922, Museum of Modern Art, New York © Artists Rights Society(ARS), New York/Scala, Firenze

Paul Klee: Sterbende Pflanzen, 1922, Museum of Modern Art, New York
© Artists Rights Society (ARS), New York / Scala, Firenze

Verlässt man den Ausstellungsprolog, so sind es bloß wenige Schritte bis zum Bauhaus-Museum Weimar – dort erwartet die Besucher der zweite Teil der Präsentation, betitelt „Abgehängt – Beschlagnahmt – Angepasst. 1930/1937“. Schon 1930 ächtete die thüringische Landesregierung mehr als 70 Werke der Moderne, indem sie diese Bilder aus dem Weimarer Schlossmuseum entfernen ließ. Aussortiert wurden unter anderem Arbeiten von Lyonel Feininger, Paul Klee und László Moholy-Nagy. Etliche dieser Werke gelangten in US-Museen – für die Dauer der Ausstellung sind sie nach Weimar zurückgekehrt.

Lyonel Feininger: Gelmeroda VIII, 1921, Whitney Museum of American Art, New York © VG Bild-Kunst, Bonn 2024 / Lyonel Feininger

Lyonel Feininger: Gelmeroda VIII, 1921, Whitney Museum of American Art, New York
© VG Bild-Kunst, Bonn 2024 / Lyonel Feininger

Sieben Jahre später wurden im Weimarer Schlossmuseum mindestens 460 Kunstwerke beschlagnahmt – 130 von ihnen verbrannten die Nazis 1939 in Berlin. Im selben Jahr machte die berüchtigte Wanderausstellung „Entartete Kunst“, erstmals 1937 in München gezeigt, Halt in Weimar. Wie der Rachefeldzug gegen die Avantgarde im Thüringischen Landesmuseum inszeniert wurde, davon haben wir keine genaue Vorstellung, weil sich keine offiziellen Ausstellungsansichten erhalten haben. Dafür entschädigen 35 Aufnahmen einzelner Gemälde, die der Fotograf Günther Beyer heimlich von außen durchs Fenster machte. Diese historisch wertvollen Schnappschüsse sind nun Teil der Ausstellung.

Bauhaus-Biografisches im Schiller-Museum

Rund 15 Minuten Fußweg benötigt man, um vom Bauhaus-Museum zur dritten – und wichtigsten – Station zu gelangen. Im Schiller-Museum ist man eingeladen, sich auf die Spur der „Lebenswege in der Diktatur 1933−1945“ zu heften. Grundlage dieses Ausstellungskapitels, dem man mehr Raum zur Entfaltung gewünscht hätte, als er im beengten Schiller-Museum zur Verfügung steht, sind die sorgsam erforschten Biografien von knapp 60 Frauen und Männern, die allesamt am Bauhaus studiert oder gelehrt haben.

Vor dem Schiller-Museum steht eine Kopie des Eingangstors vom KZ Buchenwald mit dem Schriftzug „Jedem das Seine“, gestaltet 1935 vom Bauhäusler Franz Ehrlich. Im Hintergrund Wieland Försters 1988 aufgestellte Skulptur Hommage à Schiller Foto: Jörg Restorff

Vor dem Schiller-Museum steht eine Kopie des Eingangstors vom KZ Buchenwald mit dem Schriftzug „Jedem das Seine“, gestaltet 1935 vom Bauhäusler Franz Ehrlich. Im Hintergrund Wieland Försters 1988 aufgestellte Skulptur „Hommage à Schiller"
Foto: Jörg Restorff

Einer von ihnen ist Franz Josef Ehrlich, dessen berühmt-berüchtigtes Eingangstor am KZ Buchenwald einem jetzt vor dem Museum als Kopie begegnet. Der Architekt und Designer (1907–1984), der von 1927 bis 1930 am Bauhaus Dessau studierte, wurde wegen seines Engagements im antifaschistischen Widerstand verhaftet und 1937 als politischer Häftling in das Konzentrationslager eingeliefert, das nur acht Kilometer von Weimar entfernt liegt. Von der SS dem Baubüro des Lagers zugeordnet, musste Ehrlich das schmiedeeiserne Eingangstor mit der zynischen Inschrift „JEDEM DAS SEINE“ gestalten. In zweierlei Hinsicht ein Zeugnis der Zwangsarbeit, die in und von Buchenwald aus mit besonderer Effektivität und Grausamkeit organisiert wurde – das neue Museum Zwangsarbeit im Nationalsozialismus, das parallel zur Bauhaus-Ausstellung in Weimar eröffnet wurde, widmet sich diesem menschenverachtenden Kapitel des totalitären Systems.

Dass Ehrlich nach seiner Entlassung aus dem KZ Buchenwald (im Oktober 1939) seine Mitarbeit im Baubüro der SS als ziviler Angestellter fortsetzte und sich sogar 1941 erfolgreich auf eine Stelle in der Zentrale des SS-Bauwesens in Berlin-Lichterfelde bewarb, ist aus heutiger Warte schwer nachzuvollziehen. Wie der Zickzackkurs etlicher Bauhäusler im „Dritten Reich“ uns ohnehin ambivalent, um nicht zu sagen: fragwürdig, erscheint. Der Gebrauchsgrafiker Herbert Bayer etwa, eine der prägenden Persönlichkeiten des Bauhauses in Weimar und Dessau, avancierte in der NS-Zeit als Leiter des Berliner Ateliers Dorland zum bestverdienenden Werbegestalter im Reich.

Vor den Propaganda-Karren der Nazis gespannt

Irgendwie symptomatisch auch das Beispiel der Bühnenbildnerin Ilse Fehling. 1929–1923 Studentin am Weimarer Bauhaus, ließ sie sich später willig vor den Propaganda-Karren von Goebbels spannen und entwarf Kostüme für zahlreiche NS-Filme. Ein fader Beigeschmack haftet auch der Karriere von Otto „Umbo“ Umbehr an: Der Fotograf, vier Semester am Weimarer Bauhaus eingeschrieben und später einer der gefragtesten Bildreporter der Weimarer Republik, diente sich den Nazis an, indem er 1938 für die Lifestyle-Illustrierte „die neue linie“ acht Skulpturenporträts von NS-Granden effektvoll ablichtete. Nicht ganz koscher auch der Grafikdesigner Max Thalmann, der zwei Semester am Bauhaus in Weimar verbrachte. 1943 hatte er anscheinend keine Hemmungen, mit seinem Umschlagentwurf für das Buch „Europa arbeitet in Deutschland“ die Zwangsarbeit zu verharmlosen.

Max Thalmann: Europa arbeitet in Deutschland – Sauckel mobilisiert die Leistungsreserven, 1943, Archiv der Massenpresse Patrick Rössler Fotos: Klassik Stiftung Weimar

Max Thalmann: Europa arbeitet in Deutschland – Sauckel mobilisiert die Leistungsreserven, 1943, Archiv der Massenpresse Patrick Rössler
Fotos: Klassik Stiftung Weimar

Freilich konnte den opportunistischen Weg nur erfolgreich beschreiten, wer weder jüdisch war noch politisch vom Kurs abwich. Dem Fotoreporter Willi Jungmittag beispielsweise half es nichts, dass er sich in den 1930er-Jahren in seinem Berliner Kinderporträtstudio auf Fotos spezialisierte, die perfekt dem Idealbild der „reinrassigen, germanischen Familie“ entsprachen. Weil der ehemalige Bauhäusler (1928–1930 studierte er in Dessau) Kommunist war und sich einer Widerstandsgruppe anschloss, wurde er 1944 von der Gestapo verhaftet und im Zuchthaus Brandenburg-Görden hingerichtet. Willi Jungmittag und Alice Glaser gehören zu jenen 24 Bauhäuslern, die von den Nationalsozialisten umgebracht worden sind. Der Junge mit Propellerflugzeug, das Mädchen mit Teddy und Das neue Tierquartett, sie verkünden im Schiller-Museum eine zusätzliche und tragische Botschaft – sie dienen als Memento mori.

Alice Glaser: Papagei, aus Das neue Tierquartett, 1939, Privatbesitz Foto: Klassik Stiftung Weimar

Alice Glaser: Papagei, aus „Das neue Tierquartett", 1939, Privatbesitz
Foto: Klassik Stiftung Weimar


Ausstellung
„Bauhaus und Nationalsozialismus. Jahresausstellung der Klassik Stiftung Weimar“. Teil eins: „Politische Kämpfe um das Bauhaus. 1919–1933“ (Museum Neues Weimar). Teil zwei: „Abgehängt – Beschlagnahmt – Angepasst. 1930/1937“ (Bauhaus-Museum Weimar). Teil drei: „Lebenswege in der Diktatur. 1933–1945“ (Schiller-Museum)

Laufzeit
bis 15. September 2024

Orte
Museum Neues Weimar, Bauhaus-Museum Weimar, Schiller-Museum

Katalog
Der Ausstellungskatalog ist im Münchner Hirmer Verlag erschienen (ISBN 978-3-7774-4337-9).

Website zur Ausstellung
www.klassik-stiftung.de

0 Kommentare
Kommentare einblenden

Profile

Von der Weimarer Klassik bis zur Bauhaus-Zeit, von Goethe bis Gropius – unter dem Dach der Klassik Stiftung Weimar ist ein Konzentrat der deutschen Kultur- und Geistesgeschichte versammelt, das mehr als drei Jahrhunderte überspannt. Knapp 30 Museen, Schlösser, historische Häuser und Parks sowie Sammlungen der Literatur und Kunst befinden sich in der Obhut der Stiftung. 2003 ist sie hervorgegangen aus der Fusion der Stiftung Weimarer Klassik mit den Kunstsammlungen zu Weimar. Zwölf ihrer Liegenschaften gehören zum Welterbe der UNESCO, darunter das 1923 errichtete Haus Am Horn, Teil des Moderne-Schwerpunkts „Bauhaus und seine Stätten in Weimar, Dessau und Bernau“. Als jüngstes Haus komplettiert das 2019 eröffnete Bauhaus-Museum Weimar das eindrucksvolle Museen-Ensemble der Stiftung.

[Foto: Thomas Müller, © Klassik Stiftung Weimar]

Diese Artikel könnten Sie auch interessieren: