„Liebt das Buch. Es wird euch freundschaftlich helfen, sich im stürmischen Wirrwarr der Gedanken, Gefühle und Ereignisse zurechtzufinden.“ Maxim Gorki
Bücher erzählen Geschichten. Nicht nur die, die auf ihren Seiten stehen, sondern auch die, die sie mit ihren Besitzern verbinden. Genau aus diesem Grund muss ein klassisches Handwerk wie die Buchbinderei selbst in Zeiten industrieller Buchproduktion nicht um seinen Bestand fürchten. Der Wunsch, individuelle Bücher mit persönlicher Bedeutung zu erhalten und aufzuwerten, ist zeitlos. Die Kraft sorgfältiger Handarbeit und die Spuren, die ein Mensch bei der Fertigung hinterlässt, machen den Aufwand und die Liebe zum Werkstück spürbar – so entstehen Bücher fürs Leben.
Diese Anleitung, entstanden im Rahmen eines Workshops bei boesner Hannover, bietet einen leichten Einstieg in die Kunst des Buchbindens. In wenigen Schritten wird ein etwa 1 cm dickes Buch im DIN A5-Format erstellt.
Schritt 1: Lagen falzen
Der erste Schritt zur Herstellung des Buchblockes ist das Falzen des Papiers. Als Material wird hier Silberburg Büttenpapier in der Größe DIN A4 verwendet. Je drei ineinander gelegte Bogen (bei dünnem Papier können auch mehr Bögen verwendet werden), die jeweils mittig gefalzt werden, ergeben eine Lage. Die Falzkante wird mit dem Falzbein sorgfältig glatt gestrichen.
Tipp
Die Laufrichtung des Papiers sollte so gewählt werden, dass die Fasern nach dem Falzen parallel zum Buchrücken liegen, ansonsten kann der Buchblock wellig werden und die Seiten lassen sich schlecht blättern. Eine Möglichkeit, die Laufrichtung zu bestimmen, ist die Falz- oder Biegeprobe. Der Biegewiderstand in Laufrichtung ist geringer als der quer zur Laufrichtung, dadurch lässt sich Papier parallel zur Laufrichtung leichter biegen. Eine weitere Methode ist die Feuchtprobe: Der zu testende Bogen wird auf einer Seite leicht angefeuchtet und rollt sich dadurch parallel zur Laufrichtung. Der Vorteil der hier verwendeten Büttenpapiere ist der, dass sie keine erkennbare Laufrichtung haben, denn die Papierfasern haben sich bei der manuellen Herstellung nicht in eine bestimmte Richtung ausgerichtet, sie liegen kreuz und quer im Bogen.
Schritt 2: Das Vorsatzpapier
Sind die Lagen gefalzt, plant man die Gestaltung des Bucheinbandes. Dieser kann z.B. aus Papier oder aus Buchbinderleinen bestehen. Passend zum Einband wird ein Vorsatzpapier ausgewählt, das außen auf die erste und letzte Papierlage geklebt wird. Es hat den Zweck, einen „Vorspann“ für das Buch zu liefern, damit es nicht gleich mit der ersten Druckseite hinter dem Einband beginnt. Viel wichtiger ist jedoch seine Funktion für die Verbindung zwischen Block und Buchdeckel. Das Vorsatzpapier sollte etwas dicker sein als der Rest des Buches, weil es den Buchblock am Einband fixiert. Ein kräftiges Papier (z.B. strukturiertes Zeichenpapier von dorée) und eine Verstärkung mit Shirting (grobmaschiges Gewebe aus Leinenzwirn) sichern eine längere Lebensdauer. Das Format sollte so groß wie der Buchblock sein, bei Buchblöcken mit umlaufenden Büttenrändern lieber etwas größer.
Für die hier beschriebene Bindung wird das Vorsatzpapier auf DIN A4 geschnitten und in der Mitte gefalzt. Danach legt man die Falzkanten der Papierlagen übereinander und bestreicht sie unter Zuhilfenahme eines Pinsels (z.B. Zank Leimpinsel) etwa 2 mm breit mit Planatol Buchbinderleim oder guardi Dispersionsklebstoff.
Tipp
Am einfachsten ist es, wenn man auf die oberste Vorsatzlage ein Blatt Papier legt und diese an der Tischkante platziert. Man streicht immer zur Tischkante hin, damit kein Leim unter die Blätter gerät und diese nicht aneinander kleben.
Im Anschluss klebt man das Vorsatzpapier Stoß an Stoß auf die Lage. Die Laufrichtung muss wieder parallel zur Buchkante liegen. Damit man hinterher auch beim geschlossenen Buchblock erkennt, welche Seite vorn ist, kann das Vorsatzpapier auf der Vorderseite mit „v“ (für „vorn“) mit Bleistift markiert werden, da dieses nachher auf die Buchdecke geklebt wird. Danach schneidet man in der Höhe des Buches zwei ca. 3 cm breite Streifen aus Shirting-Gewebe. Diese werden ca. 6 mm breit beleimt und um Vorsatzpapier und Lagen geklebt, wobei das breite Stück auf der einen Seite und die Falzkante nur mit ca. 3 mm umklebt werden. Das Shirting soll die Falzkante verstärken, da die Belastung auf der ersten und letzten Lage am größten ist. Als Nächstes werden die Heftträger, die wahlweise aus Ramieband oder einem anderen, ca. 1 cm breiten Baumwollband bestehen (früher verwendete man für diesen Zweck aufgezwirbelte Hanfkordel), etwa 2 cm breit befestigt und an den Anfang des zweiten und dritten Drittels der letzten Buchseite geklebt. Die sogenannten Heftbünde halten später das Buch zusammen und verbinden die einzelnen Lagen.
Schritt 3: Die Heftung
Nun werden die gefalzten Bogen durch eine Rückstichheftung verbunden. Dazu benötigt man eine Buchbindernadel und Buchbinderzwirn (der vorher mit Bienenwachs gewachst wurde, um die Reißfestigkeit zu erhöhen). Die Lagen werden mit der Falzseite nach außen auf die Tischkante gelegt und in der Mitte geöffnet. Der Teil, der auf dem Tisch liegt, wird mit einem kleinen Gewicht beschwert.
Die Löcher, durch die der Faden verlaufen soll, müssen vorgestochen werden. Dies geschieht immer von innen nach außen, damit später bei der Verleimung des Buches kein Leim auf die Innenseiten des Buches quellen kann. Das Vorstechen kann mit der Buchbindernadel erfolgen oder, wenn man so wie im vorliegenden Fall sehr dickes Papier benutzt, mit einer Schraubahle. Beim Durchstechen des Papieres sollte man immer möglichst flach ansetzen. Sticht man in zu schrägem Winkel ein, kann es passieren, dass man durch das Vorsatzpapier heftet. Es bietet sich an, mit der letzten Lage zu beginnen – so hat man die Vorderseite des Buches immer vor sich auf dem Tisch liegen.
Der erste Stich mit Zwirn erfolgt von außen in das erste Loch, das sich etwa zwei Zentimeter vom Rand entfernt befindet. Dabei werden ca. 10 cm vom Fadenende stehengelassen. Aus dem nächsten Loch direkt vor dem Heftträger (Baumwollband) tritt der Faden wieder aus. Das folgende Heftloch befindet sich auf der anderen Seite des Baumwollbandes, wo der Faden nun wieder zur Buchinnenseite geführt wird, vor dem nächsten Baumwollband wieder heraus etc. bis der Faden am letzten Heftloch, ca. 2 cm vor der Buchkante, nach außen geführt wird.
Der Zwirn wird also schlangenlinienförmig vernäht und umschließt auf der Außenseite das Baumwollband. Die erste Lage ist nun mit Zwirn versehen. Die zweite Lage wird in gleicher Weise von innen nach außen vorgestochen. Der Zwirn wird ebenso schlangenlinienförmig durch die Löcher gezogen. Am Ende dieser Lage zieht man den Zwirn stramm und verknotet ihn zur Festigung mit dem vorher übriggelassenen Fadenanfang. Mit den folgenden Lagen verfährt man ebenso: Am Ende jeder Lage werden sie mit den vorherigen Lage einmal vernäht, damit der Zwirn fest bleibt.
Sind alle Lagen zusammengeheftet, wird innen „Kleister gegeben“, damit das Shirting im fertigen Buch nicht mehr sichtbar ist. Dazu klappt man die jeweils erste und letzte Lage auf und streicht mit dem Pinsel so breit, wie das Shirting zu sehen ist, Leim auf die Seite. Dann zieht man die Heftbünde straff, schneidet sie zurecht und klebt die losen Enden auf. Im Anschluss wird der Buchrücken satt mit Leim bestrichen, während man die Lagen zusammendrückt. Der Leim wird mit dem Falzbein gut eingearbeitet.
Nun schneidet man dünneres Papier (z.B. Japanpapier oder dorée 70) in buchblockbreite Streifen und klebt es mit Leim dorthin, wo sich kein Heftband befindet, um die Zwischenräume zwischen den Lagen zu verschließen.
Schritt 4: Zeichen- und Kapitalband
Darauffolgend kann man ein oder mehrere Zeichenbänder ankleben (z.B. Libriano Zeichenband). Das Zeichenband sollte 1 cm + Buchdiagonale + 5 cm lang sein, damit man es überall im Buch gut greifen kann. Möchte man nur ein Zeichenband anbringen, klebt man es mittig auf dem Rücken des Rohlings auf (natürlich am Kopfschnitt), bei mehreren Zeichenbändern klebt man diese nebeneinander. Darüber kann das Kapitalband (z.B. Libriano Kapitalband) in passender Farbe zum Buch aufgeklebt werden. Das Kapitalband ist das, was man sieht, wenn man von oben und unten in den Buchrücken schaut. Es wird auf den Leim gedrückt und in Buchblockbreite abgeschnitten.
Wenn dieser Schritt beendet ist, sollte man das Buch zwischen zwei Bretter legen, am besten so, dass der Buchrücken noch frei ist, es beschweren (z.B. mit einem boesner-Katalog) und trocknen lassen.
Schritt 5: Buchrücken und Einband
Im nächsten Schritt wird ein Streifen Karton (z.B. boesner Fotokarton) in Buchblockdicke als Rückeneinlage zugeschnitten. Für die Länge des Kartonstreifens gilt: Höhe des Buchblocks + 5 mm. Bitte beachten Sie auch hier die Laufrichtung des Kartons. Danach schneidet man die Buchdeckel aus Buchbinderkarton (z.B. Callos Buchbinderkarton oder Modellbaupappe) zu. Man nimmt hierzu die Maße: Buchblockhöhe + 5 mm und Buchblockbreite -2 mm. Zusätzlich wird aus einfachem Papier (z.B. dorée 70 oder Packpapier) ein Streifen in Buchdeckelhöhe und ca. 5 cm + Breite der Rückeneinlage zugeschnitten. Dies ist der „Hängestreifen“. Nun werden die Deckel in der Rohform verbunden. Dazu klebt man zunächst den Streifen Karton mit Leim genau in die Mitte des Hängestreifens. Nun dreht man den Papierstreifen um und arbeitet mit dem Falzbein die Kanten der Rückeneinlage heraus. Danach klebt man rechts und links die Buchdeckel mit einem Abstand von 0,6 cm, wenn man das Buch komplett in einem relativ dünnen Material beziehen will, oder 0,7 cm, wenn das Bezugsmaterial fester ist. Ausgetretener Leim sollte dabei immer zügig weggewischt werden (Tipp: Stets einen feuchten boesner Mallappen zur Hand haben!). Wenn man den Buchrücken mit Gewebe einfassen möchte, sucht man sich zunächst ein passendes Einbandgewebe zum zuerst ausgesuchten Einbandmaterial aus.
Man kann den Buchrücken beliebig breit in Gewebe einfassen, je breiter jedoch das Gewebe, desto weniger sieht man hinterher vom Rest des Einbandmaterials. Bei dem ausgewählten Gewebe muss unbedingt auch die Laufrichtung beachtet werden. Das Gewebe wird in gewünschter Breite x Deckelhöhe + 3 cm zugeschnitten und von der Mitte zum Rand hin beleimt. Dazu benutzt man ein Gemisch aus in Wasser gelöstem Glutofix, das ähnliche Eigenschaften wie Tapetenkleister aufweist, und Planatol BB im Verhältnis 1:1. Die Trockenzeit dieses Gemisches ist länger und gibt so die Möglichkeit, besser zu positionieren und ggf. zu korrigieren.
Der Buchrücken wird auf das geleimte Gewebe aufgesetzt und angedrückt. Danach schlägt man das Gewebe oben und unten ein, streicht es mit dem Falzbein glatt und arbeitet die Rückeneinlage stark heraus. Nun wird das Einbandmaterial für den Rest der Deckel zu – geschnitten (Breite + 1,5 cm, Höhe + 3 cm), sodass am Ende an jeder Deckelkante 1,5 cm überstehen. Die Zuschnitte werden ebenfalls sternförmig von innen nach außen mit dem Glutofix-Planatol-Gemisch beleimt.
Man sollte immer von innen nach außen Leim auftragen, um zu vermeiden, dass man mit dem Pinsel unter das Einbandmaterial gerät und dieses mit Leim beschmutzt wird. Warten Sie vor der weiteren Verarbeitung einen kleinen Moment, um die Papierfasern quellen zu lassen und so zu verhindern, dass das Papier später im aufgeklebten Zustand wellig wird. Der Buchdeckel wird so auf das beleimte Schmuckpapier gesetzt, dass 1,5 cm Rand übrigbleiben. Danach werden die Ecken abgeschnitten, sodass nur noch ca. 2–3 mm Papier stehen bleiben. Dieses wird oben und unten eingeschlagen. In den Ecken macht man mit dem Falzbein einen Kniff und kann dann auch die Seite einschlagen. Danach wird alles mit dem Falzbein ordentlich nachgearbeitet und festgedrückt.
Möchte man das Buch komplett in das zu Beginn ausgewählte Bezugsmaterial einfassen, ist die Vorgehensweise ähnlich: Das Einbandmaterial wird auf die Größe der Buchdecke + 3 cm in Höhe und Breite zugeschnitten. Man bestreicht das Einbandmaterial komplett sternförmig mit dem Leim-Gemisch. Dann legt man – nachdem man dem Papier einen Moment Zeit gegeben hat „zu reagieren“ – zunächst die eine Deckelpappe auf, dreht das Ganze um, arbeitet sorgfältig und vorsichtig den Buchrücken heraus und streicht den Bezug auf den zweiten Deckel. Jetzt schneidet man wie oben beschrieben die Ecken ab, schlägt den Bezug erst oben und unten ein, kneift die Ecken ein, schlägt den Bezug an den Vorderkanten ein und arbeitet alles noch einmal vorsichtig mit dem Falzbein nach.
Bei Bezugspapieren, die sich in beleimtem Zustand stark ausgedehnt haben, ist es ratsam, die Buchdecke von innen noch einmal zu „spiegeln“, also ein Papier von innen auf die Buchdeckel zu kleben, um die Zugkräfte auszugleichen. Zum Trocknen der Buchdecke kann man sie einige Zeit beschwert zwischen Finnpappen legen.
Schritt 6: Verbindung von Buchblock und Einband, Trocknen und Entfeuchten
Für die nächsten und letzten Schritte schneidet man sich zunächst zwei saugfähige Kartons in etwas mehr als buchgroße Stücke. Hierbei sollte es sich um saugfähige Pappen handeln, da diese nach dem Einsetzen des Buchblocks in die Decke im Vorsatz platziert werden (also zwischen Decke und Buchblock), um die Feuchtigkeit des Leims aufzunehmen. Dafür eignet sich zum Beispiel sehr gut Mica Finnpappe (0,9 mm stark).
Nun wird zunächst auf der hinteren Seite des Buchblocks Klebstoff unter den Shirtingstreifen gestrichen, dann wieder sternförmig auf das Vorsatz und den Shirtingstreifen inklusive Heftband. Damit das Vorsatz sich nicht einrollt, kann es an den Ecken vorsichtig nach außen gegengeknickt werden – natürlich nicht zu stark, damit keine sichtbaren Falten bleiben. Der Buchblock ist optimal platziert, wenn er links direkt neben der Rückeneinlage auf der Decke liegt und die Pappkanten umlaufend 2,5 mm betragen. Dann beleimt man die vordere Buchblockseite auf die gleiche Weise wie die hintere und klappt das Buch vorsichtig zu. Hierbei sollte kein Leim auf den Buchrücken kommen! Der Rücken ist das Gelenk des Buches und muss deswegen beweglich bleiben. Die Buchdeckel müssen eine kurze Weile angepresst werden, damit der Leim auf beiden Seiten gut greift. Dann öffnet man die Buchdeckel nacheinander leicht und schiebt die Trockenpappen ins Vorsatz.
Ist das Buch fertiggestellt, sollte man es mindestens über Nacht in einer Buchpresse oder zumindest beschwert zwischen zwei Brettern trocknen lassen.
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