Pablo Picasso bat 1949 seinen Freund Henri Goetz, in seinem Namen bei der Farbenmanufaktur Sennelier vorzusprechen. Hintergrund dürfte wohl eine besondere Bitte gewesen sein: Der Wunsch nach reiner Farbe in der unkomplizierten Handhabung eines Stifts, spontan anwendbar auf verschiedensten Untergründen. Bereits Ende des 19. Jahrhunderts hatte man mit Ölfarbe in Stiftform experimentiert, und in den 1920er-Jahren waren die ersten Ölkreiden auf den Markt gekommen. Firmenchef Henri Sennelier war es schließlich, der auf Picassos Bitte hin Pigmente, Mineralwachse und Bindemittel zu einer cremigen Textur in Stiftform verbinden ließ: Das moderne Ölpastell konnte seinen Siegeszug antreten.
Ölpastelle sind ein ausgesprochen vielseitiges Malmaterial mit den unterschiedlichsten Einsatzmöglichkeiten – ob als farbige Skizze oder als detaillierte Zeichnung. Sie sind ideal für eine große Bandbreite künstlerischer Ausdrucksformen und vielseitig und spontan in der Anwendung – ohne Hilfsmittel und Vorbereitung des Malgrunds sind sie als „schnelles“ Medium besonders für die Verwendung im Freien geeignet. Im modernen Ölpastell verbindet sich die Reinheit der Farbe mit dem zeichnerischen Duktus eines Stifts, kräftig und lebendig im Ausdruck und überraschend wandlungsfähig. Ölpastell kann natürlich auf Papier und Karton, aber auch auf fein strukturieren Geweben, beidseitig kaschierter auf Gessoboards, metallischen Malgründen, Kunststoff oder Glas verwendet werden. Zudem lässt sich Ölpastell mit dem Finger oder einer Bürste, aber auch mithilfe eines zuvor erwärmten Spachtels oder Malmessers pastos auftragen.
Im Handel erhältlich sind sowohl sehr weiche als auch vergleichsweise harte Ölpastell-Stifte in teils unterschiedlichen Größen. Die besondere Textur des Ölpastells regiert unmittelbar auf den mit der Hand ausgeübten Druck: Im leichten Strich ähnelt sie dem Pastell, im kräftigen Auftrag kann ein Impasto-Effekt erzielt werden. Ihre geschmeidige Konsistenz verdanken Ölpastellstifte gewissen Anteilen an Öl und Wachs. Natürlich sind die Rezepturen gehütet und die Bestandteile unterschiedlich, aber generell lassen sich Ölpastelle bis zu einem gewissen Grad mit Terpentin und Balsam-Terpentinöl vermalen. Dies kann man sich in der Arbeit zunutze machen, indem man die Zeichnung durch Anlösen des gezeichneten Strichs wesentlich malerischer erscheinen lässt. Flächen lassen sich partiell oder vollständig mit Terpentin miteinander verbinden. Welche Hilfsmittel dabei zum Tragen kommen – z.B. Pinsel, Wischer oder Tuch – bleibt der persönlichen Erfahrung und Vorliebe überlassen.
Durch das Vermalen mit Terpentin entstehen weiche Übergänge, nuancenreiche Verbindungen und malerische Schatten und Tiefenwirkungen im Farbhof, der dem Fettschatten des Balsamterpentins geschuldet ist.
Ölpastelle überzeugen in der Anwendung durch die Verbindung der Zeichnung mit dem Malerischen und durch ihre unzähligen Farbnuancen, die allen malerischen Ansprüchen genügen. Im Vergleich zu den pudrigen Pastellkreiden sind sie zudem weitaus robuster und können – mit speziellen Fixativen geschützt – problemlos gerahmt werden.