Wer einen Streifzug durch die Welt der Kunst unternimmt und dabei auf die Darstellung der menschlichen Haut achtet, nimmt eine Vielzahl an Farbtönen wahr: leicht rosige Wangenpartien bei Damen und Kindern, gebräunte Schultern und Gesichter bei Hirten und Fischern (oder Strandbesuchern natürlich), grünlich bei manchem Bacchus oder bläulich-blass im Falle mangelnder Gesundheit, aber gern hell und strahlend bei jungen Liebenden.
Tatsächlich unterscheidet der Hautton auch zwischen männlich und weiblich, wenn man den Bildern Glauben schenken mag … Fest steht: Das Inkarnat, der Farbton der Haut, ist weit mehr als eine einmal festgelegte Farbe – sie variiert selbst in einem Bild an unterschiedlichen Stellen des Körpers, an Brust und Knie, Nase oder Ellenbogen. Daher wundert es nicht, dass die sogenannten „Karnatmaler“ der Fassmalerei (also die Meister der farbigen Fassung hölzerner Skulpturen) als hoch bezahlte Spezialisten galten – denn die Darstellung der menschlichen Haut ist eine Kunst für sich.
Das hier gezeigte Beispiel illustriert trefflich die Kunst, den richtigen Ton zu treffen. Und gerade bei der Detaildarstellung wird deutlich: Die Hautfarbe besteht aus vielen Tönen – und erst ihr Zusammenspiel macht den Hautton aus. Der Malgrund besteht aus dichtem, relativ groben, aber dicht gewebten Hanf in einem lichten Ockerton. Das Gewebe wurde zunächst vorgeleimt und dann zweimal dünn mit Kreidegrund grundiert – jedoch nicht in vollkommen deckenden Schichten, sondern mit kleinen offenen Partien, um einen gewissen unfertig-rohen Charakter zu belassen. Die Vorzeichnung erfolgte mit Kohle. Der anschließende Farbauftrag ist eher grob konturierend und mit breitem Pinsel in der Fläche eher flüchtig. Plastizität und Körperlichkeit entsteht durch das Weglassen von Farbe oder durch den direkten, auch mehrfachen Auftrag der Ölfarbe, zum Teil direkt aus der Tube.
Die Gesamtansicht auf der nächsten Doppelseite macht deutlich: Die hier gewählte Form des Diptychons erlaubt eine Darstellung ohne eingeschriebene narrative Zusammenhänge. Die Bilder stehen für sich, agieren jedoch miteinander. Der innere Kontext – bedingt durch die gleiche Höhe, dasselbe Sujet und den identischen malerischen Ausdruck – wird nicht nur bei einer Hängung nebeneinander, sondern auch in Gegenüberstellung deutlich.
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