Die Wiederentdeckung der Keramik in Kunst und Design
Töpferwaren werden seit Tausenden von Jahren von zahlreichen Kulturen auf der ganzen Welt hergestellt. Unter den Begriff „Töpferei“ fällt die handwerkliche Herstellung zum Gebrauch bestimmter oder dekorativer Produkte aus Ton und anderen Materialien. In den 1960er- und 70er-Jahren war Gebrauchskeramik überaus beliebt. Nach einer langen Zeit einheitlicher Serien- und makelloser Industrieproduktion trat Töpferware in den letzten Jahren einen erneuten Siegeszug an. Die Materialästhetik von Steinzeug und Ton, die Arbeit mit den Händen und die Vielfalt des individuellen Ausdrucks haben zu einer Wiederentdeckung des Handwerks geführt und sie zu einem großen Design-Thema gemacht.
Obwohl seit der Antike als Kunstmedium verwendet, waren keramische Arbeiten auch in der bildenden Kunst der vergangenen fünfzig Jahre kaum sichtbar. Als würde dem Material durch die Nähe zur Alltagskeramik ein „Makel des Handwerklichen“ anhaften, schien die Verwendung von gebrannter Erde nahezu verpönt. Doch seit geraumer Zeit erfährt der Werkstoff Ton auch hier eine Renaissance. Für einige zeitgenössische Künstler*innen wie Ai Weiwei, Thomas Schütte, Markus Karstieß oder Leiko Ikemura gehören aussagestarke keramische Arbeiten zum festen Bestandteil ihres Repertoires, Kunstschaffende wie Michael Cleff, Monika Debus, Gerhard Hahn oder Doris Kaiser legen den Fokus ihrer Arbeit auf die Ausdrucksmöglichkeiten der Keramik.
Als Werkstoff gibt es kaum ein aufregenderes Material als Ton, das Basismaterial für die Keramikherstellung. Ton hat je nach Abbauregion individuelle Eigenschaften, die sich beim Brand unterschiedlich verhalten und sich im Verbund mit anderen Materialien zusätzlich beeinflussen lassen. Durch das starke Erhitzen auf bis zu über 1000 Grad Celsius und den Prozess des Abkühlens eröffnen sich weitere Möglichkeiten, gewünschte Eigenschaften wie etwa Härte, Haltbarkeit und Beständigkeit gegen Hitze und Korrosion zu steuern. Ob und in welcher Weise man die Oberfläche mit Glasuren bearbeiten möchte, lässt wiederum zahlreiche Optionen offen, ein Werkstück zu gestalten.
Wie setzen Keramikkünstler heute ihre Arbeiten in Keramik um? Welchen Anreiz bietet ihnen das Material? Was beeinflusst sie? Wie weit reicht das Themenspektrum?
Fragen wie diesen geht das im Frühjahr 2024 bei Hoaki erschienene Buch „Ceramic Artists on creative processes“ nach. Teresa de la Cal und Miguel Ángel Pérez Arteaga haben für die reich bebilderte englischsprachige Publikation eine repräsentative Auswahl mit Arbeiten von 27 international tätigen Kunstschaffenden zusammengestellt, von denen einige zu den besten Keramikkünstler* innen der Welt zählen. Diese erklären in eigenen Worten die kreativen Prozesse hinter ihren Arbeiten und erläutern, was sie inspiriert. Dabei wird auch deutlich, wie sie es erreichen, dass ihre Arbeit aufregend bleibt und was ihre Werke von denen anderer Keramikkünstler*innen unterscheidet.
Anhand von zahlreichen Beispielen – Objekten, die uns emotional berühren, überraschen und zum Nachdenken anregen – verraten die Kunstschaffenden wichtige Details über ihre keramischen Kreationen: wie sie hergestellt und geformt wurden, ob Glasur und Engobe verwendet und welcher Ofen bei welcher Brenntemperatur eingesetzt wurde …
Indem die Kunstschaffenden die charakteristischen Merkmale ihrer Arbeit herausstellen und einige der Geheimnisse preisgeben, die ihre künstlerischen Prozesse kennzeichnen, erhalten Leserinnen und Leser einen aufschlussreichen Blick in die einzigartige kreative Welt des jeweiligen Kunstschaffenden. Das Kaleidoskop der außergewöhnlichen Künstler*innen in diesem Buch zeigt auch, wie Neugierde, Risikobereitschaft und Offenheit zu überraschenden und vielseitigen Ergebnissen führen können: Jahrtausendealte Traditionen werden wiederentdeckt, neue Perspektiven entwickelt, Grenzen überschritten, Geschichten erzählt und gegen konventionelle Erwartungen aufbegehrt. Daraus entsteht ein Raum, in dem Kunst, Erde, Wasser, Luft und Feuer aufeinandertreffen und inspirieren.
Die 27 internationalen Kunstschaffenden, die in dem Buch vorgestellt werden: Belgien: Nathalie Doyen, Ann Van Hoey; China: Wan Liya; Frankreich: Monsieur Cailloux, Kaori Kurihara; Deutschland: Monika Debus; Indien: Madhvi Subrahmanian; Irland: Nuala O Donovan; Italien: Paola Paronetto; Japan: Shozo Michikawa; Mexiko: Gustavo Pérez; Niederlande: Cecil Kemperink; Nigeria: Ngozi Omeje Ezema; Polen: Monika Patuszynska; Spanien: Ícaro Maiterena, Xabier Montsalvaje, María Oriza, Myriam Jiménez Huertas, Ana Felipe, Roger Coll; UK: Nicholas Lees, Alice Walton, Sophie Woodrow; USA: Lauren Nauman, Yuko Nishikawa, Godeleine de Rosamel. Taiwan: Wu Wei Cheng.