Das Josef Albers Museum im Museum Quadrat in Bottrop
Ein öffentliches Museum, das sich ganz dem Werk eines einzigen Künstlers widmet – kann das überhaupt interessant sein? Wie bedeutend und originell muss der Künstler sein! Werden dort ausschließlich seine Werke präsentiert oder im Dialog oder Wechsel mit weiteren, „ähnlich“ arbeitenden Kollegen gezeigt? Gibt es dazu im Museum einen festen Bestand an Kunstwerken, geschenkt vom Künstler selbst oder von seiner Familie, dem Nachlass? Ermöglicht nicht erst die Spezialisierung den Blick in die Tiefe, aber ist diese Spezialisierung auch attraktiv?
Das Museum
Immerhin, ganz ungewöhnlich ist das Konzept des monografischen Museums in der Verantwortung einer Kommune nicht. Im Ruhrgebiet gibt es etwa ein eigenes Museum für den informellen Maler Emil Schumacher: in dessen Heimatstadt Hagen, mit einem Wechselausstellungsbereich und räumlich unter einem Dach mit dem (programmatisch weiter gefächerten) Osthaus Museum. Und es gibt dort in der Region ein Museum für Josef Albers, und zwar in dessen Geburtsstadt Bottrop. Auch wenn Albers (1888–1976) zum Bauhaus nach Weimar und Dessau zog und 1933 nach Amerika emigrierte und dessen Staatsbürgerschaft annahm, blieb er doch der Ruhrgebietsstadt zeitlebens verbunden. 1970 wurde er zu ihrem Ehrenbürger ernannt. Das Museum Quadrat, das 1976 am Stadtgarten eröffnet wurde, verweist in seinem Namen auf Albers‘ berühmteste Werkgruppe „Homage to the Square“. Mit diesen Gemälden, bei denen farbige Quadrate ineinander geschachtelt sind, hat Albers Kunstgeschichte geschrieben. 1983 wurde das Josef Albers Museum an das Bottroper Museumszentrum angebaut, zu erreichen über einen Steg inmitten des Parks. Allen Teilmuseen des Museumszentrums liegen Quadrate zugrunde: Neben dem Josef Albers Museum sind dies das Museum für Ur- und Ortsgeschichte (mit seiner Mineraliensammlung und dem Mammut), die Studiogalerie und die Moderne Galerie, in der Wechselausstellungen zur zeitgenössischen Kunst stattfinden. Auch die Skulpturen, die sich im Gelände befinden, lassen sich im weiteren Sinne der konstruktiven, an der Geometrie orientierten Kunst zuordnen. Dazu gehören markante Werke solch bedeutender und unterschiedlicher Künstler wie Marcello Morandini, Bernar Venet, Ernst Hermanns und Donald Judd.
Die Sammlung
Das Josef Albers Museum besitzt die weltweit größte Sammlung zu diesem großartigen Künstler. Josef Albers selbst hat Mitte der 1970er-Jahre seiner Heimatstadt mehrere Bilder geschenkt, 1979, nach seinem Tod, folgte eine umfangreiche Schenkung mit 85 Gemälden und 250 Grafiken durch seine Witwe Anni Albers (1899–1994), die als Textilkünstlerin am Bauhaus gelernt und ebenfalls in Amerika unterrichtet hatte. Auch weiterhin bemüht sich das Museum, den Bestand und damit das Wissen zum gesamten Werk von Josef Albers zu erweitern. So konnten in der jüngsten Zeit mit öffentlicher und privater Unterstützung einzelne Gemälde und Fotomontagen erworben werden, die die Variationsbreite seines Werkes unterstreichen, aber auch die Kontinuität seiner Gedanken in den unterschiedlichen Medien herausarbeiten. Die Gemälde sind im Museum permanent präsentiert in lockerer Hängung, welche die verschiedenen Werkphasen verschränkt und mitunter Werke des jeweiligen Künstlers einbezieht, der gerade in der Modernen Galerie ausstellt. Zugleich wird damit die Bedeutung von Josef Albers auch für die heutige Zeit und für unterschiedliche Kunstdiskurse unterstrichen. Albers‘ Werk „lebt“ erst recht bei den Sonderausstellungen auf, und dabei müssen die Bezüge gar nicht mal so direkt sein.
Der Künstler
Aber Josef Albers ist nicht nur als Maler berühmt geworden, sondern auch als Lehrer, Pädagoge und Kunstprofessor in Amerika. So bedeutende Künstler wie Robert Rauschenberg oder Donald Judd haben an seiner Universitätsfakultät studiert. Ohnehin liegen seiner Kunst theoretische und analytische Überlegungen zugrunde. Albers‘ Leistung ist die Untersuchung der Wirkung von Farbe und wie diese von Umgebung zu Umgebung unterschiedlich wahrgenommen werden. Über die Phänomene des Sehens hinaus gelingt es ihm, für den Reichtum der Farbtöne und deren Nuancen zu sensibilisieren. Und: Malerei ist eben doch eine sinnliche Erfahrung, selbst wenn ein Quadrat in einem Quadrat sitzt und Farben aneinanderstoßen. Zugleich hat Albers mit derartigen Verfahren seit den 1940er- und besonders 1950er-Jahren den kommenden verknappten, minimalistischen Kunststilen das Feld bereitet, ja, diese noch motiviert. – Und ein Weiteres: Mit seinen Zeichnungen aus verschobenen, sich überkreuzenden Linien gilt Albers als ein früher „Erfinder“ der Op Art, die mit visuellen Effekten und Augentäuschungen arbeitet und Räumlichkeit suggeriert. Später hat er seine Erfahrungen und Erkenntnisse in einer Sammlung seiner Texte unter dem programmatischen Titel „Interaction of color“ zusammengefasst.
Josef Albers wurde 1888 in Bottrop geboren, wo er auch aufgewachsen ist. Nach der Ausbildung zum Volksschullehrer und der Tätigkeit als Lehrer studiert er ab 1913 an der Königlichen Kunsthochschule in Berlin und sodann an der Kunstgewerbeschule in Essen. Sein dortiger Lehrer ist Jan-Thorn Prikker, der für seine Glasfenster berühmt ist – eine Disziplin, der sich auch Albers fortan widmet; schon 1917/18 gestaltet er ein Glasfenster einer Bottroper Kirche, das heute leider zerstört ist. Also bereits da, in seiner gegenständlichen Frühzeit, sind Farbe und Licht zentrale Forschungsgegenstände. Die weiteren Stationen seiner künstlerischen Ausbildung sind die Kunstakademie in München und ab 1920 das Bauhaus in Weimar, bei dem er alle Stufen vom Studenten bis zum Dozenten durchläuft. Er begleitet das Bauhaus auch 1925 nach Dessau, wo er zum Bauhausmeister ernannt wird und neben den Glasbildern vor allem Möbel anfertigt sowie Fotografien und später Holz- und Linolschnitte schafft. Die Sprache seiner Bilder ist von Geometrien geprägt, die schnell einfacher und zurückgenommener werden. Ab 1930 ist Albers stellvertretender Direktor des Bauhauses, bis zu dessen Selbstauflösung 1933. Im November dieses Jahres übersiedelt Albers mit seiner Frau Anni nach Amerika: Auf Empfehlung von Philip Johnson wird er als Lehrer an das neu gegründete Black Mountain College in North Carolina berufen. Wichtig wird für ihn dort die Auseinandersetzung mit der Landschaft und Kultur in Mexiko und Lateinamerika, wohin er insgesamt vierzehn Mal fährt. Seine Malerei steht in Amerika von Anfang an unter Überlegungen zur Leuchtkraft und Spiritualität, wobei die Farbe zunehmend auf die Kontur verzichtet und, seit dieser Zeit gegenstandsfrei, für sich steht. 1950 wird er als Direktor der Design-Abteilung an die Yale University School of Art berufen, wo er bis 1960, zuletzt als Gastprofessor, unterrichtet. Aber schon seit Mitte der 1950er-Jahre ist die Fülle an Tätigkeiten, Gastvorträgen und Professuren und Auszeichnungen, die an Josef Albers herangetragen werden, kaum zu überschauen. In Deutschland lehrt er als Gastprofessor an der Ulmer Hochschule für Gestaltung. 1957 wird er mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet. In seiner Wahlheimat ist er indes genauso angesehen: 1971 erhält er als erster lebender Künstler eine Werkübersicht im New Yorker Metropolitan Museum of Art. Josef Albers stirbt im März 1976 in New Haven und wird in Orange beerdigt.
Albers‘ Kunst
Doch zurück zum Werk: Josef Albers ist ein „echter“ Minimalist Mitte des 20. Jahrhunderts. Und doch ist er alles andere als das. Geschult für die Reduktion der Formen am Bauhaus und sensibilisiert für die Wirkung von Farben im Licht durch die Beschäftigung mit der Transparenz des Glases, ist Josef Albers vor allem einer der wichtigsten Künstler, die sich der Farbe in ihrem Potenzial zugewandt haben. Dazu trägt besonders seine „Variant“-Serie bei, mit der er 1947 beginnt. In einem wenig variierten geometrischen Schema stehen verschiedene Farben neben- und übereinander. Dies nimmt Albers in der Serie „Homage to the Square“ ab 1950 auf. Deren Konzept ist von einer erstaunlichen Einfachheit: In einem moderaten quadratischen Format sind zwei oder drei Quadrate unterschiedlicher monochromer Farbigkeit auf der vertikalen Mittelachse ineinander geschachtelt. Indem sie nach oben oder unten verschoben sein können, sind die Stege unterschiedlich breit. Die Erkenntnis ist, dass die Wahrnehmung der einzelnen Farben von ihrer Umgebung abhängt, das betrifft schon die Erfahrung von Helligkeit und Dunkelheit. Josef Albers hat dazu unvermischte, industriell hergestellte Farben auf Hartfaserplatten aufgetragen. Er hat seine Bildkompositionen unter zwei verschiedenen Systemen von Neonröhren entwickelt: warm – kalt – warm – kalt das eine, und warm – warm – kalt – kalt das andere. Also auch ohne Tageslicht schaffte Albers optimale Bedingungen für eine möglichst objektive – gleiche – Wahrnehmung aller Farben. Nichts war dem Zufall überlassen, obwohl die Bilder mithin lässig gepinselt wirken. Mit dem Wissen der Farben im Kopf konnte Albers gelassen seine Bilder schaffen.
Das Ausstellungsprogramm
Gründungsdirektor des Museums war Ulrich Schumacher. Seit 2003 leitet Heinz Liesbrock das Museum Quadrat. Im Kubus der Modernen Galerie – im vorderen rechten Flügel des Museumskomplexes – mit seinem variablen Stellwandsystem und auf zwei Ebenen finden im Jahr drei bis vier Wechselausstellungen mit jeweils einem Künstler (meist mit einzelnen Werkphasen), dazu die Jahresausstellung Bottroper Künstler statt.
Rückblickend kennzeichnen besonders drei Aspekte das Programm der Wechselausstellungen. Sie haben ganz direkt mit Josef Albers zu tun, und zwar die Auseinandersetzung mit Farbe in der ungegenständlichen Malerei, eine Verknappung der Formensprache hin zur Geometrie und schließlich das Arbeiten in Serien. So hat Heinz Liesbrock etwa das Werk von Sol LeWitt, Michael Venezia und Fred Sandbeck ausgestellt, die aus dem Umfeld des amerikanischen Minimalismus stammen. Weiterhin hat er Ausstellungen mit strukturellen Farbfeldmalern wie Antonio Calderara und Agnes Martin durchgeführt ebenso wie mit Malerei, die vom Verlöschen oder „Verräumlichen“ von Farbe – also ihrer Substanz – handelt: von Ad Reinhardt oder Gotthard Graubner. Daneben wurden Positionen im Radius der Geometrie gezeigt – Klaus Staudt oder Yuji Takeoka – und in einer frei flottierenden Analyse der Malerei, etwa mit Helmut Dorner, Pia Fries oder vor kurzem Jerry Zeniuk. Immer wieder sind auch Fotografie-Ausstellungen in Bottrop zu sehen. Heinz Liesbrock stellte US-amerikanische Weltstars wie Robert Adams und Walker Evans ebenso vor wie Fotografen aus der zweiten Generation der Düsseldorfer Akademieklasse von Bernd und Hilla Becher, darunter Simone Nieweg, Bernhard Fuchs und zuletzt Claus Goedicke. Im Herbst dieses Jahres wird mit Axel Hütte ein weiterer Fotograf aus der Becher-Schule vorgestellt, und zwar mit seinem frühen Werk. Dazwischen ist immer wieder das Werk von Josef Albers unter verschiedenen Aspekten ausgestellt, etwa in der seiner Rolle als Theoretiker und Lehrer; im Hinblick auf seine Mexiko-Reisen oder mit seinen Papierarbeiten.
Dass das alles aber nicht statisch zu verstehen ist, unterstreicht die Ausstellung mit dem österreichischen Maler Tobias Pils, die bis Anfang September zu sehen war – seine erste Einzelausstellung in einem deutschen Museum. Tobias Pils ist ein Shootingstar der internationalen Kunstszene. Geboren 1971 in Linz, hatte er in den vergangenen Jahren Einzelausstellungen in der Wiener Secession, der Kunsthalle Krems und in Le Consortium in Dijon. Pils arbeitet mit den Mitteln der Zeichnung. Er ist ein Meister der Andeutung und zugleich der Verdichtung, das wurde nun erst recht deutlich in seinem Ausstellungsteil im Josef Albers Museum, wo er den inneren offenen Kubus (und zwar nun ganz alleine) bespielt hat. Dort stieß Bild an Bild, so dass die Gemälde den Betrachter ganz umfingen, zumal sie bis zu 3 m hoch ragten. In der andeutenden, assoziationsreichen Bildsprache und gedeckten Farbigkeit ließ dies vielleicht an eine Grabkammer denken. Überhaupt kennzeichnet das gänzlich lineare Repertoire von Pils mit den Leitern und Gittern, Schlangenfiguren aus breiten ausfasernden Pinselstrichen und Augenpaaren etwas figürlich Archaisches und ebenso Elementares. Einerseits auf Flächigkeit angelegt, ist die Farbigkeit mit ihren Braun- und Grauabstufungen vor dem weißen Grund so subtil, dass sie Bildräume andeutet, ja, plötzlich von der Fläche in den Raum kippt. Das Spiel mit dem lichthellen weißen Grund kennzeichnet vor allem Pils‘ neueste Bildzeichnungen, die in der Modernen Galerie ausgestellt waren. Sie sind als Einzelbilder in der texanischen Wüste entstanden, wo sich Tobias Pils als Stipendiat in Marfa aufgehalten hat, der Stiftung von Donald Judd (1928–94). Und Donald Judd wiederum ist während seines Studiums direkt von Josef Albers beeinflusst worden und wurde dann einer der berühmtesten Künstler der Minimal-Art. Im Grunde schließt sich hier wieder der Kreis. Das Museum Quadrat mit dem Josef Albers Museum bleibt auf höchstem Niveau dynamisch. Es umkreist und verdichtet souverän sein zentrales Thema: die Malerei von Josef Albers.
Josef Albers Museum. Quadrat Bottrop. Im Stadtgarten 20, 46236 Bottrop, Tel. +49-(0)2041-29716
Öffnungszeiten:
Dienstag bis Samstag: 11–17 Uhr
Sonn- und Feiertage: 10–17 Uhr
Montags geschlossen.
Das Museum hat am 24., 25. und 31. Dezember sowie am 1. Januar geschlossen.
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