Interview

Zentangle: „Jeder Mensch hat seinen Horizont“

Rick Roberts und Maria Thomas sind die Begründer der Zentangle®-Bewegung. Zusammen haben Sie zahlreiche Produkte entwickelt, ein Buch veröffentlicht und ein Kurssystem eingeführt. Im Interview spricht der Amerikaner Roberts über die Grundidee, den Nutzer für Körper und Geist sowie den Umgang mit Kritikern.

boesner: Woher kam die Idee für Ihr Zentangle-Konzept?

Rick Roberts: Maria und ich haben uns schon länger Gedanken über einen Weg gemacht, über den sich die Menschen kreativ verwirklichen können. Ganz besonders diejenigen, die Zweifel haben, ob sie überhaupt in der Lage sind, sich künstlerisch auszudrücken.

boesner: Wie sah die Entstehung der Zentangle-Methode aus?

Roberts: Wir haben sie mit dem Gedanken im Hinterkopf entwickelt, dass sie all die Gründe adressiert, die die Leute dafür anführen, dass sie angeblich keine Kunst erschaffen können. Zum Beispiel hörten wir immer wieder: „Ich habe keine Zeit dafür.“ Also haben wir Blätter entworfen, die lediglich neun Zentimeter im Quadrat klein sind und in der Regel innerhalb von 15 Minuten fertigzustellen sind. Und jeder hat doch mal hier, mal da 15 Minuten übrig. Die übrigen Einwände wie „keine künstlerischen Fähigkeiten“, „kein Geld“, „keinen Platz“ sind wir ähnlich pragmatisch angegangen.

boesner: Worum geht es eigentlich bei der Zentangle-Methode?

Roberts: Interessante Frage! Ursprünglich ging es uns darum, dass Menschen Kunst erschaffen können, die sich dazu gar nicht in der Lage sehen. Sie sollten feststellen, dass es eben doch geht und dass der kreative Schaffensprozess wunderbare Gefühle freisetzt und eine meditative Wirkung hat. Es macht einfach Spaß. Mittlerweile wissen wir, dass die Leute die Zentangle-Methode aus den verschiedensten Gründen nutzen oder anderen empfehlen: als Schmerz- und Sucht-Therapie, als Teambuilding-Maßnahme, um die eigene Flugangst zu besiegen, um die Konzentrationsfähigkeit oder die Kreativität zu steigern, für das Konfliktmanagement und für vieles mehr.

boesner: Wie hat die „Bewegung“, wenn man sie so nennen will, an Fahrt aufgenommen?

„Menschen erschaffen damit wunderbare Kunst.“

Roberts: Durch Mund-zu-Mund-Propaganda. Die Zentangle-Methode funktioniert. Menschen erschaffen damit wunderbare Kunst. Insbesondere die, die nie geglaubt haben, dass sie es können. Und alle fühlen sich dabei großartig. Darüber hinaus hat sich eine wundervolle Community entwickelt, die hinter der Zentangle-Methode steht, das Konzept verbreitet und die eigenen Arbeiten mit anderen teilt.

boesner: Was haben Sie selbst unternommen, um Ihre Produkte zu vermarkten?

Roberts: Wir haben uns bei der Entwicklung der Zentangle-Produkte daran orientiert, wie wir den kreativen Prozess unterstützen können. Dazu haben wir eine Website aufgebaut mit kostenlosen Newslettern und einem Blog. Wir haben Kurse gegeben und ein Programm entwickelt, um „Certified Zentangle Teachers“ (CZT) darin zu schulen, anderen die Zentangle-Methode näher zu bringen.

boesner: Was für Menschen besuchen diese Kurse?

Roberts: Die Liste wächst und wächst. Es soll nicht anmaßend klingen, aber grundsätzlich denken wir, dass die Zentangle-Methode für jeden etwas ist, der mit Filz- und Bleistiften etwas anzufangen weiß. Wir arbeiten mit Schulen, Universitäten, Krankenhäusern, Gefängnissen, Unternehmen und Einzelpersonen aller möglichen Kulturen und sozialen Hintergründe. Es wäre kaum möglich zu sagen, für wen die Zentangle-Methode nichts ist.

Copyright: M. Thomas, R. Roberts
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Zahlreiche Zentangle-Produkte gibt es jetzt bei boesner Copyright: M. Thomas, R. Roberts

boesner: Haben Sie denn eine Kernzielgruppe?

Roberts: Jein. Die Zentangle-Methode ist ganz allgemein für alle gedacht, die Lust haben, Kunst zu schaffen und die Freude zu spüren, die die kreative Arbeit mit sich bringt. Auf der anderen Seite haben wir unsere Produkte auf den Markt geworfen, ohne sie zu bewerben. Insofern haben wir uns nie Gedanken darüber machen müssen, wen genau wir erreichen wollen.

boesner: Die Zentangle-Methode hat Elemente aus der Esoterik, der Meditation, der Kunst, des Handwerks und aus vielen anderen Richtungen. Gelingt es Ihnen, all die Facetten in einen Satz zu packen?

Roberts: Unsere Ein-Satz-Beschreibung lautet: „Die Zentangle-Methode ist eine leicht zu lernende, entspannende und Spaß machende Art, strukturierte Muster zu zeichnen und dadurch schöne Bilder zu erschaffen.“ Da es so eine fundamentale Erfahrung ist, sich selbst kreativ auszudrücken, erscheint es mir nur natürlich, dass die Zentangle-Übungen so viele, sich zum Teil überlappende Bereiche berührt.

boesner: Welche Auswirkungen kann die Zentangle-Methode auf das Gehirn und auf den Körper haben?

„Zentangle befähigt den Menschen loszulassen.“

Roberts: Ich könnte Ihnen Geschichten erzählen! Geschichten, die teilweise so fantastisch und dramatisch klingen, dass sie ausgedacht erscheinen. Wir sind der Überzeugung, dass jeder Mensch unvorstellbare Fähigkeiten hat. Aber wir entwickeln Verhaltensmuster und Gewohnheiten, mit denen wir uns selbst, unserem Selbstbewusstsein, unserer Kreativität sowie unserer eigenen Gesundheit und Heilung im Weg stehen. Wenn jemand mit der Zentangle-Methode arbeitet, tritt fast automatisch eine Entspannung ein. Unser Gemütszustand hat dann nichts mehr mit einem bestimmten Glauben, einer bestimmten Philosophie und einer Haltung irgendetwas gegenüber zu tun. Frei von Selbstzweifeln, Erwartungen und Kritik kann die Kreativität durch uns durchfließen, wir sind praktisch sofort in einer kreativen Zone. Die Zentangle-Methode lässt den Menschen aus seinen geordneten Bahnen ausbrechen. Und wenn dann die innere und natürliche Kreativität übernimmt, dann entsteht daraus wunderschöne Kunst. Und der Weg dorthin fühlt sich fantastisch an. Die Kombination, Schönes zu erschaffen und sich dabei gut zu fühlen, kann die Einstellung zum Ich und zu der eigenen Welt massiv beeinflussen. Wir möchten vermeiden, dass es so klingt, als würde die Zentangle-Methode aktiv befreien, vielmehr glauben wir, dass sie den Menschen befähigt, loszulassen und das zu tun, was ganz natürlich in uns steckt.

boesner: Wie begegnen sie den Menschen, die der Meinung sind, dass die Zentangle-Methode zwar ein netter Zeitvertreib ist, aber nichts mit richtiger Kunst zu tun hat?

Roberts: Ich unterhalte mich unheimlich gern mit diesen Leuten, schon weil wir sie so selten antreffen! Dazu nur ein paar Gedanken: Vielleicht haben diese Leute irgendwo darüber gelesen oder sich mit jemandem darüber unterhalten und die Idee nicht richtig umrissen. Vielleicht haben sie noch nie einen Kurs mit einem unserer Certified Zentangle Teacher absolviert. Jeder Mensch hat seinen eigenen Horizont. Nur wenn man sich darauf einlässt, kann man die Zentangle-Methode richtig verstehen. Tatsächlich waren sehr viele Menschen, die es ausprobieren, vorher der Überzeugung, dass sie es nicht können.

boesner: Wir groß wird die Zentangle-Methode noch werden?

Roberts: Wir wissen es nicht. Wir hatten eine Inspiration und wollen sie mit anderen teilen. Das ist unser Ansatz. Für uns ist das ein Angebot an andere, eine Möglichkeit, unsere Familien teilhaben zu lassen und etwas aufzubauen, das noch Generationen Bestand haben wird. Und dabei haben wir jede Menge Spaß!

boesner: Gibt es Ansätze, die Zentangle-Methode weiter zu entwickeln? Oder haben Sie andere Projekte in Planung?

Roberts: Ja, wir arbeiten derzeit an unserem zweiten Buch. Außerdem befindet sich eine App in der Entwicklung, die bald erscheinen wird.

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