Wer kennt sie nicht, die Ritter Sport Schokolade: „quadratisch – praktisch – gut“ lautet der Werbeslogan. Seit 1932 sind die quadratischen Tafeln auf dem Markt. Kein Wunder, dass es in der Familie Ritter eine Affinität zum Quadrat gibt. Es scheint deshalb nur logisch, dass Marli Hoppe-Ritter, Miteigentümerin der Schokoladenfirma in der dritten Generation, vor geraumer Zeit begann, Kunst zu sammeln, die das Quadrat zum Thema hat.
Trotz dieser Beschränkung wurde die Sammlung innerhalb von eineinhalb Jahrzehnten so umfangreich, dass Hoppe-Ritter beschloss, ein Museum zu gründen, das dem Quadrat gewidmet ist. 2005 wurde im schwäbischen Waldenbuch, dem Sitz der Schokoladenfirma, das Museum Ritter eröffnet, das seither in immer wechselnden Ausstellungen die eigene Sammlung präsentiert und daneben auch Einzelausstellungen zu geometrisch-abstrakt arbeitenden Künstlern zeigt.
Über das Museum, die Kunst und das Quadrat sprach Susanna Partsch mit Marli Hoppe-Ritter.
Susanna Partsch: Frau Hoppe-Ritter, wie und wann haben Sie begonnen, Kunst zu sammeln?
Marli Hoppe-Ritter: Ich habe mich schon von Kindesbeinen an für Kunst interessiert, vermutlich angeregt durch Gemälde des 18. und 19. Jahrhunderts, die sich in meinem Elternhaus befanden. Mein Kunstinteresse richtete sich jedoch rasch auf die Klassische Moderne und die zeitgenössische Kunst.
Als 1986 im Wilhelm-Hack-Museum in Ludwigshafen die Ausstellung „Von zwei Quadraten“ stattfand, veranlasste mich das, mich verstärkt mit abstrakt-geometrischen und konkreten Tendenzen in der Kunst zu beschäftigen. Nach weiteren Impulsen reifte in mir der Entschluss, mit einer eigenen Sammlung zu beginnen.
Partsch: Das Quadrat stand für Sie am Anfang nicht im Zentrum. Wie kam es dann zu dieser Beschränkung?
Moppe-Ritter: Das Quadrat ist einerseits das Markenzeichen von Ritter Sport, andererseits erscheint das Quadrat geradezu als ein Paradigma der abstrakt-geometrischen Kunst des 20. und 21. Jahrhunderts. Berühmt geworden durch den russischen Konstruktivisten Kasimir Malewitsch zu Beginn des 20. Jahrhunderts, fasziniert die geometrische Idealform bis heute Künstlerinnen und Künstler zur intensiven Auseinandersetzung. Die Vielfalt malerischer und plastischer Konzepte zum Quadrat hat mich dazu bewogen, dieses Thema in einer eigenen Sammlung zu verfolgen. Das Besondere am Quadrat ist für mich, dass es sich durch eine zurückhaltende Form auszeichnet – eine Form, die vieles ermöglicht, was Farbgebung und Materialien betrifft. Der Künstler Hans Peter Reuter drückt es so aus: „Das Quadrat ist die schönste Form der Fantasie.“
Partsch: Seit wann sammeln Sie „Quadrate“?
Hoppe-Ritter: Ein Aha-Erlebnis war für mich die schon angesprochene Ausstellung im Wilhelm-Hack-Museum mit dem Titel „Von zwei Quadraten“. In dieser Ausstellung wurden Werke russischer Suprematisten, aber auch Arbeiten jüngerer Künstler gezeigt. Die dort präsentierten Werke begeisterten mich und ich begann, mich intensiv mit abstrakt-geometrischer Kunst zu befassen. Nach und nach entstand die Idee, eine eigene Sammlung mit dem Thema „Das Quadrat in der Kunst“ aufzubauen. Auch eine Ausstellung im Jahr 1989 in Wiesbaden faszinierte mich. Diese trug den Titel „10 x 10 x 10 cm“ und umfasste rund 2.000 Werke. 200 davon habe ich damals für meine Sammlung erstanden.
Partsch: Können Sie sich noch an das erste Bild erinnern, das Sie erworben haben?
Hoppe-Ritter: Das erste Werk in meiner Sammlung stammt von Sol Lewitt aus dem Jahr 1980. Es zeigt ein schwarzes Quadrat auf der Rückseite einer Postkarte, auf der die Kassettendecke des Pantheons in Rom zu sehen ist.
Partsch: Hätten Sie jemals gedacht, dass Ihre Sammlung so umfangreich werden könnte?
Hoppe-Ritter: Das thematische Sammeln hat sich im Laufe der Zeit als weitaus spannender erwiesen, als ich mir das ursprünglich vorgestellt habe. Die Vielfalt der Ideen, die bis heute zum Thema Quadrat entstehen, ist nahezu unerschöpflich. Ich finde es hochinteressant zu sehen, dass unter Verwendung neuer Materialen wie zum Beispiel LEDs oder lichtsammelndem Acrylglas in der zeitgenössischen Kunst neue originelle Werke entstehen.
Partsch: Haben Sie bestimmte Präferenzen, Vorlieben? Gibt es das für Sie schönste, interessanteste, spannendste Werk?
Hoppe-Ritter: Ein liebstes Werk habe ich nicht. Aber es gibt tatsächlich einige Stücke, die eine wegweisende Position innerhalb meiner Sammlung einnehmen und mir besonders ans Herz gewachsen sind. Die kleine Skizze von Kasimir Malewitsch aus dem Jahr 1915 gehört ebenso dazu wie das Gemälde „Tlinko-K“ von Victor Vasarely (1956/63). Besondere Stücke sind für mich auch die Bilder der Zürcher Konkreten wie zum Beispiel Camille Graesers „Caput mortuum – grün 1:7“ (1968). Auch die Werke der Zero-Künstler Heinz Mack, Otto Piene und Günther Uecker empfinde ich als große Bereicherung meiner Sammlung, ebenso natürlich die Lichtarbeiten von Maurizio Nannucci und François Morellet. Letzterer ist mit mehreren Werken in meiner Sammlung vertreten. Spannend finde ich auch viele Arbeiten der aktuellen geometrisch-abstrakten Kunst, darunter die Bilder von Rita Ernst und die Objekte von Jim Lambie oder Gerold Miller.
Partsch: Hans Peter Reuter hat im Jahr 2006 das Bild „Schokoladenblau“ gemalt, das eine quadratische Tafel Schokolade zeigt, aber natürlich in Blau, wie alle Bilder Reuters. Gibt es noch mehr Werke, die sich so explizit auf die quadratische Tafel der Ritter Sport Schokolade beziehen?
Hoppe-Ritter: Im Jahr 2012 wich das Museum Ritter vom gewohnten Kurs des Ausstellungsprogramms ab und präsentierte Kunst rund um das Thema Schokolade. Die Ausstellung zeigte Objekte, Gemälde, Grafiken, Installationen, Fotografien und Videos aus dem Material und mit dem Motiv Schokolade. Für diese Ausstellung schuf der Berliner Künstler Thomas Rentmeister ein 1 mal 1 Meter großes Objekt aus Eisen. Diese Arbeit mit dem Titel „Eisenschokolade“ greift die klassische Ritter Sport Tafel auf.
Partsch: Ihre Sammlung beläuft sich auf etwas über tausend Werke. Sie alle sind in irgendeiner Form dem Quadrat gewidmet. Welche Kriterien muss ein Bild oder Objekt erfüllen, um in Ihre Sammlung aufgenommen werden zu können?
Hoppe-Ritter: Das Hauptkriterium ist das Quadrat als äußere Form oder als Thema des Werks. Besonders wichtig ist es für mich, dass die Arbeit einzigartig ist und dass der Künstler neue Gedanken und Ideen gekonnt zum Ausdruck bringt. Manchmal gibt es für mich die Liebe auf den ersten Blick, manchmal entwickelt sich erst, nachdem ich mich länger mit dem Kunstwerk befasst habe, eine „Liebesbeziehung“ dazu. Im Übrigen konzentriert sich meine Sammlung vorwiegend auf europäische Künstlerinnen und Künstler. Es finden sich sowohl große Namen als auch Künstler, die der breiten Öffentlichkeit noch nicht bekannt sind. Ich halte es außerdem für sinnvoll, von ein und demselben Künstler mehrere Werke aus verschiedenen Schaffensperioden zu besitzen, denn so ist ein vertiefter Einblick in seine Entwicklung möglich.
Partsch: Wie finden die Werke in Ihre Sammlung? Gehen Sie auf die Messen und in Galerien? Oder kommen die Künstler/innen zu Ihnen?
Hoppe-Ritter: Es gibt unterschiedliche Wege: Ich gehe gerne auf Messen, in Künstlerateliers und Galerien. Aber selbstverständlich bekomme ich auch sehr viele Anfragen von Künstlerinnen und Künstlern sowie von Galerien, die mir Arbeiten vorstellen möchten.
Partsch: Neben der ständigen Sammlung zeigen Sie in Ihrem Haus auch immer Wechselausstellungen rund ums Quadrat. Bislang ist Ihnen dies in bemerkenswerter Weise gelungen, auch wenn sich natürlich manchmal andere geometrische Formen dazugesellen, die sich aber laut Kasimir Malewitsch ja alle aus dem Quadrat ergeben. Bleibt diese Beschränkung bestehen oder können Sie sich auch vorstellen, sich anderen Kunstströmungen zu öffnen?
Hoppe-Ritter: Nein, das kann ich mir nicht vorstellen, ich bleibe der konkreten Kunst treu.
Partsch: Das Museum Ritter ist heute ein renommiertes, weltweit bekanntes Haus, das trotz der etwas abgelegenen Lage viele Besucher anlockt. Haben Sie mit diesem Erfolg gerechnet, als Sie beschlossen, ein Museum speziell für das Quadrat zu gründen?
Hoppe-Ritter: Ich habe natürlich gehofft, dass es so kommt. Aber ich war mir nicht sicher. Die überaus positive Resonanz der Öffentlichkeit hat meine Erwartungen bei Weitem übertroffen. Besonders freut es mich, dass nicht nur ohnehin kunstinteressierte Menschen angezogen werden, sondern sich ein breites Publikum angesprochen fühlt. Denn eines unserer Ziele ist es, die Schwellenangst, die häufig vor Museumsbesuchen besteht, abzubauen. In den vergangenen zehn Jahren haben über 500.000 Menschen das Museum Ritter besucht, darunter viele Kinder und Jugendliche. Das zeigt mir, dass wir auf dem richtigen Weg sind.
Partsch: Welche Wünsche haben Sie für die Zukunft des Museums?
Hoppe-Ritter: Ich betrachte das Museum Ritter als eine sinnvolle Investition in die Zukunft der Gesellschaft. Jede große Kunstsammlung sollte für die Öffentlichkeit da sein, denn dadurch wird sie erst lebendig. Kunst braucht den Austausch, das Gegenüber.
Ich wünsche mir, dass das Museum Ritter auch in Zukunft für viele Besucher aus nah und fern ein Anziehungspunkt für die Begegnung mit der Kunst bleiben wird
Partsch: Frau Hoppe-Ritter, ich danke Ihnen sehr für dieses ausführliche Gespräch.
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