Ein Lebenswerk im Dienst der Kunst: Hansfried Defet, geschäftsführender Gesellschafter der da Vinci Künstlerpinselfabrik Defet GmbH, feierte im September seinen 90. Geburtstag. Seit 1945 leitet er die renommierte Künstlerpinselfabrik, verantwortet bis heute die Produktion und setzt fortlaufend neue Impulse für stetige Weiterentwicklung. Die Geschichte des Unternehmens lässt sich bis etwa 1890 zurückverfolgen, seit 1930 ist es im Familienbesitz. So ist Hansfried Defet das traditionelle Handwerk der Pinselmacherzunft ebenso vertraut wie die heutige hochmoderne Fertigung. Im Interview gewährt Hansfried Defet Einblicke in die Geschichte des Hauses, in Gegenwart und Vergangenheit des Pinselmachens ebenso wie in seine vielfältigen Aktivitäten rund um die Kunst.
boesner: Herr Defet, noch einmal nachträglich die herzlichsten Glückwünsche zu Ihrem Geburtstag! Sie blicken auf eine lange Zeit zurück, in der sich die Herstellung von Künstlerpinseln naturgemäß gewandelt hat. Welche Eindrücke aus Ihrer Kindheit im Umfeld der elterlichen Pinselfabrik begleiten Sie?
Hansfried Defet: Die sich nach 1945 abzeichnende Spezialisierung in unserer Branche – mein Vater und seine Kollegen produzierten noch die ganze Palette vom Anstreicher- über Künstlerpinsel und Rasierpinsel – ließen die Kindheitseindrücke (ich trommelte gerne mit Pinselstielen) rasch vergessen.
boesner: Die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg stand ganz im Zeichen des Wiederaufbaus. Sie übernahmen 1945 die Leitung der Fabrikation und führten Sie zu einer neuen Blüte. War es schwierig, in jenen ersten Jahren Material für gute Künstlerpinsel zu beschaffen?
Defet: Das Material, von dem unsere Branche seit jeher lebt, ist vor allem chinesischen und russischen Ursprungs. Die Tore dorthin öffneten sich erst wieder Ende der Vierzigerjahre. Nach dem Krieg waren Schlachthöfe mit den Borstenabfällen unsere Nothelfer und Rinderohrhaare waren das einzige Material, um Öl- und Aquarellpinsel herstellen zu können.
Um konstante Qualitäten produzieren zu können, war mir die gründliche Ausbildung junger Menschen besonders wichtig.
boesner: Vom stolzen Handwerk zur hochmodernen Produktion – im Rückblick war die Kunst des Pinselmachens einer stetigen Entwicklung unterworfen. Doch welche Konstanten zeichnen die Herstellung von Pinseln aus?
Defet: Um konstante Qualitäten produzieren zu können, war mir die gründliche Ausbildung junger Menschen besonders wichtig. Zum Glück hatte ich aus Vaterzeiten noch einen erfahrenen Meister „geerbt“, der mir und unseren jungen Leuten ein „echter Lehrmeister“ war.
boesner: Die jüngere Geschichte des Hauses Defet ist auch eine Geschichte beständiger Erweiterung und Modernisierung der Produktionsstätten. Welches waren die wichtigsten Stationen?
Defet: Die Entwicklung und Einführung der Kunstfaser in die Künstlerpinselmacherei, d.h. dass die Chemie und Verfahrenstechnik aus Perlon und Nylon Materialen entwickelte, die sich auch für den sogenannten Feinhaarpinsel als „Ersatz“ anboten. Mithilfe eines Ingenieurs ergab sich die Möglichkeit, auch maschinelle Fertigungsanlagen zu konstruieren, die das manuelle Pinselmachen nachahmten und stetig weiter optimiert wurden. So ist in unserem Hause daraus ein Fertigungsbereich für synthetische Pinsel entstanden, der uns heute in die Lage versetzt, den Billigprodukten aus Asien Paroli zu bieten.
boesner: Viele Hersteller verlegten gegen Ende des 20. Jahrhunderts ihre Fertigungsstätten ins Ausland. Sie sind immer Ihrem Grundsatz treu geblieben, in Nürnberg zu fertigen. Zudem stellen Sie auch innerhalb der Produktion die Weichen für die Zukunft, indem Sie im traditionsreichen Handwerk ausbilden. Welche Inhalte umfasst diese Lehrzeit?
Defet: Geschickte und trockene Hände sind die Grundvoraussetzungen, die junge Menschen besitzen müssen, um tüchtige und verlässliche Mitarbeiter zu werden. Auch bedarf es innerhalb unserer reichen Produktpalette der Spezialisation. Pinsel für das Restaurieren – für die Porzellanmanufakturen in Gänse- und Taubenkielen gearbeitet – bedürfen der speziellen Schulung.
boesner: Sie und Ihre Frau Marianne waren schon immer der zeitgenössischen Kunst verbunden: Bereits seit den 1960er-Jahren betrieben Sie auf dem Firmenareal eine Galerie, nach der Umsiedlung der Produktionsstätte an die Tillystraße eröffneten Sie im Jahre 2006 das Galerie- und Atelierhaus Defet im ehemaligen Unternehmensgebäude und stifteten in der Folge auch Stipendien für junge Künstler. Welche Impulse führten zu diesem Engagement, und wie darf man sich die Arbeit im Galerie- und Atelierhaus Defet vorstellen?
Defet: Zunächst: Die Entscheidung, die noch meine Frau mittrug, war ein glücklicher Schritt. Nicht nur, dass wir Pinselmacher stets Partner haben, die unsere Produkte testen und Ratschläge geben – es ist auch von der dort ansässigen Kindermalschule bis zu einer Siebdruckwerkstätte für Grafik eine Lebendigkeit, die mir stets Freude bereitet.
boesner: In den vergangenen Jahrzehnten haben Sie nicht nur Kunstschaffende gefördert, sondern auch eine umfangreiche Sammlung aufgebaut. Zu Ihrem 90. Geburtstag haben Sie dem Neuen Museum Nürnberg selbst ein Geschenk gemacht und stifteten knapp 50 Kunstwerke aus Ihrer Sammlung renommierter zeitgenössischer Künstlerinnen und Künstler.
Defet: Vom leidenschaftlichen Briefmarkensammler in der Jugend bin ich dank der Anregung und Anleitung meiner Frau ein leidenschaftlicher Kunstsammler geworden. Viele Begegnungen mit Künstlern aus aller Welt haben mein Leben über Jahrzehnte bereichert.
boesner: Herr Defet, herzlichen Dank für dieses Interview!
In Gedenken
„Danke für die Mühen – mit dem Inhalt dieses ‚Portraits‘ bin ich ganz zufrieden“ – kurz und knackig entsprach Hansfried Defet der Bitte um Autorisierung unseres Interviews anlässlich seines 90. Geburtstages am 20. September 2016. Mehr als siebzig Jahre lang leitete er die Da Vinci Künstlerpinselfabrik Defet GmbH, die er nach dem Zweiten Weltkrieg von seinem Vater übernommen hatte. Gern erinnerte er sich in Gesprächen an die Eindrücke seiner Kindheit – an die sogenannten Gostorg-Borsten, die randvoll in Fässern eingelegt aus Russland kamen, oder an den Vater, der die kostbaren Schweifhaare des sibirischen Marders allabendlich in den Panzerschrank schloss… Ganz besonders lag dem Unternehmer alter Schule das Wohl seiner Mitarbeiter am Herzen, und durch seine zahlreichen Kontakte zu Künstlerinnen und Künstlern spürte er nicht nur künstlerischen Trends und Ansprüchen an hochwertige Künstlerpinsel nach, sondern wusste auch früh um die Notwendigkeit gezielter Kunstförderung, die er mit unermüdlichem Einsatz betrieb. Am 27. Oktober 2016 ist Hansfried Defet gestorben. Wir gedenken einer Persönlichkeit, deren facettenreiches Engagement die Kunstwelt bereichert hat.
Die boesner-Redaktion
Kommentare sind geschlossen.