Ein breit gefächertes Kursangebot, ein attraktives Umfeld mit Heimstatt in einem architektonisch bedeutsamen Industriedenkmal und 1.500 bis 2.000 begeisterte Kursteilnehmer pro Jahr – dies sind nur einige Facetten einer besonderen Erfolgsgeschichte: Die Kunstakademie Bad Reichenhall feiert in diesem Jahr ihren 20. Geburtstag, zählt heute zu den größten Einrichtungen ihrer Art in Europa und ist fest in der bayerischen Kunstlandschaft verankert.
Die Backsteinbauten, in denen unter anderem fünf großzügig ausgestattete Ateliers untergebracht sind, gehören zum Gebäudekomplex der Alten Saline, die in der 1. Hälfte des 19. Jahrhunderts im Auftrag von Ludwig I. von Bayern errichtet wurde. Hier bieten jährlich etwa 130 Dozenten rund 200 Kurse an. Aus einer anfänglich zweiwöchigen Sommerakademie entwickelte sich kontinuierlich die heutige über die Landesgrenzen hinaus bekannte Institution mit ganzjährigem Betrieb. Anlässlich des Jubiläums sprachen wir mit Dr. Brigitte Hausmann, Direktorin der Kunstakademie Bad Reichenhall.
boesner: Liebe Frau Dr. Hausmann, die Kunstakademie Bad Reichenhall kann auf 20 Jahre erfolgreiche Lehrtätigkeit zurückblicken. Was trieb die Gründer an, und welches waren Ihres Erachtens die Meilensteine auf diesem Weg?
Dr. Brigitte Hausmann: Gegründet wurde die Kunstakademie 1996. Der Impuls kam von dem Künstler Walter Angerer d.J., der bis heute bei uns unterrichtet, dem Leiter der Volkshochschule Rupert Fegg, der die Akademie dann bis zu seinem Ruhestand leitete, sowie dem damaligen Salinendirektor Dr. Richard Griß. Man kann von einer überaus glücklichen personellen Konstellation sprechen, die die Initiative zum Erfolg führte, in dreierlei Hinsicht: erstens künstlerisch, zweitens im Hinblick auf die kommunale Verankerung und drittens – ein ganz wichtiger Punkt – durch die Ansiedlung in der Alten Saline, einem ästhetisch herausragenden, zentral gelegenen Industriedenkmal des 19. Jahrhunderts. Die Stadt Bad Reichenhall erkannte bereits damals die gesellschaftliche Bedeutung von Kreativität und kultureller Bildung, Themen, die heute vieldiskutiert sind, wie auch die wirtschaftliche Seite von Kultur als Standortfaktor. Aus kleinsten Anfängen entwickelte sich der Akademiebetrieb in der Folge sehr rasch, offensichtlich verspüren viele Menschen den Wunsch, ihre künstlerischen Potenziale mit Unterstützung qualifizierter Lehrender zu entfalten. Namhafte Künstlerinnen und Künstler wurden Dozenten und trugen zur Reputation der Einrichtung bei. Insbesondere waren es Hermann Nitsch, Markus Lüpertz und Jerry Zeniuk, die auch insofern Meilensteine setzten, als sie das Programmangebot der Akademie um so genannte Studiengänge und Meisterkurse erweiterten, die sich an überdurchschnittlich ambitionierte „Nachwuchskünstler“ richten. Ein „infrastruktureller“ Meilenstein war die Eröffnung der boesner-Niederlassung gegenüber der Kunstakademie, die die Versorgung der Kursteilnehmenden mit Leinwänden, Farben und sonstigem Künstlerbedarf wesentlich erleichterte.
„Kunst entwickelt sich stetig weiter, sie bleibt nie stehen.“
boesner: Seit 2014 sind Sie Direktorin der Akademie. Welches sind Ihre Herzensanliegen für die Entwicklung und Ausrichtung der Akademie in der Zukunft?
Hausmann: Als Kunstwissenschaftlerin mit Schwerpunkt auf der Kunst des 20. und 21. Jahrhunderts sehe ich meinen Auftrag darin, die Akademie noch stärker für aktuelle Tendenzen in der Gegenwartskunst zu öffnen. Es freut mich deshalb sehr, dass wir eine ganze Reihe jüngerer Künstlerinnen und Künstler, die in der Kunstwelt von sich reden machen, gewinnen konnten. Kunst entwickelt sich stetig weiter, sie bleibt nie stehen und so ist es Aufgabe und Verantwortung der Kunstakademie, dieses Fortschreiten in ihrem Kursangebot zu spiegeln. Ein zweites mir wichtiges Anliegen, ja sogar mein Hauptanliegen ist die künstlerische Qualität sowie die Qualität der Lehre. Dafür stehen alle unsere Dozentinnen und Dozenten. Wie Sie wissen, gibt es mittlerweile zahlreiche Akademien und Malschulen. Die Kunstakademie Bad Reichenhall ist bekannt für ihr hohes künstlerisches Niveau und daran arbeiten wir weiter. Die Tatsache, dass mittlerweile etliche unserer langjährigen Kursteilnehmenden ihre Werke ausstellen und verkaufen, bestätigt uns auf diesem Weg.
boesner: Als städtische Einrichtung mit öffentlichem Bildungsauftrag bietet die Kunstakademie Bad Reichenhall ein breites Programmangebot. Welches sind die Schwerpunkte? Wie charakterisieren Sie das Kursangebot?
Hausmann: Als öffentliche Einrichtung haben wir den Vorteil, dass wir uns nicht völlig den Gesetzen des Marktes unterwerfen müssen und deshalb ein breites Spektrum an Kursen anbieten können (und nicht nur tendenzielle „Blockbuster“). Diese künstlerische Vielfalt macht die Attraktivität der Kunstakademie aus. Wir bieten Kurse in Malerei, Zeichnung, Druckgrafik, Plastik, künstlerischer Fotografie, Mixed Media, Papierkunst, Buchillustration u.a.m. an. Besonders diversifiziert ist das Angebot in Malerei, auf ihr liegt unser Schwerpunkt, hier dürfte kaum ein Wunsch offenbleiben, sei es in technischer, formaler oder inhaltlicher Hinsicht.
boesner: Die Kunstakademie Bad Reichenhall steht allen Interessierten offen, unabhängig von Alter oder Vorbildung. Wie ist ihr Angebot auch in Hinblick auf die unterschiedlichen Voraussetzungen, die die Studierenden mitbringen, strukturiert?
Hausmann: Unser Programm ist so strukturiert, dass sowohl Einsteiger wie Fortgeschrittene unterschiedlichen Grades das für sie in ihrem jeweiligen Stadium und bei ihrer jeweiligen Interessenlage Geeignete und Passende finden. Neben reinen Anfänger- bzw. Fortgeschrittenenkursen gibt es eine Reihe von Kursen, die von den Dozenten so konzipiert sind, dass sie Beginnenden wie Amateuren gleichermaßen gerecht werden und alle voneinander profitieren. Durch unseren ganzjährigen Betrieb können wir auch jenseits der klassischen Urlaubszeiten ein vielfältiges Programm bieten. Bei der Programmerstellung achten wir darauf, dass in jeder Woche verschiedene Akzente gesetzt werden, also auch innerhalb einer Woche eine gewisse Vielfalt besteht. Für Kunstinteressierte mit wenig Zeit sowie zum „Hineinschnuppern“ sind Kurz- und Wochenendkurse das Richtige. Für außerordentlich Engagierte gibt es die erwähnten Studiengänge und Meisterkurse mit künstlerisch und didaktisch herausragenden Dozentinnen und Dozenten. In Professionalisierungsseminaren kann man sich schließlich das Rüstzeug holen, um sich als Künstler/Künstlerin in Bereichen wie Medien, Galeriewesen, Ausstellungssektor etc. zurechtzufinden und sich erfolgreich zu vermarkten.
boesner: Besonders ins Auge fallen das inspirierende Umfeld mit den historischen Ateliers in der Alten Saline und die reizvolle Umgebung – sicherlich auch Faktoren für die Attraktivität des Angebots der Akademie Bad Reichenhall?
Hausmann: Damit haben Sie absolut Recht. Unsere großzügigen historischen Ateliers begeistern alle, wie auch die pittoreske Alte Saline und natürlich die malerische „Kulisse“ des Voralpenlandes, nur wenige Kilometer entfernt ist Berchtesgaden mit dem Watzmann und Salzburg mit seiner barocken Pracht. Bad Reichenhall selbst ist ein traditionsreicher Kurort, hier gibt es sogar ein philharmonisches Orchester, mit dem wir 2017 übrigens kooperieren und Kunst und Musik zusammenbringen werden. Was ist die Infrastruktur angeht, sind neben der für unsere Kunstschaffenden „überlebensnotwendigen“ boesner-Niederlassung die zahlreichen Hotels und Restaurants zu erwähnen, denn unsere Gäste – immerhin über 30.000 seit Akademiegründung – reisen aus ganz Deutschland, Österreich, der Schweiz und anderen europäischen Ländern an.
boesner: Zum 20-jährigen Jubiläum haben Sie sich mit Ihrem Team einiges einfallen lassen. Welche Highlights gibt es in diesem Jahr?
Hausmann: Künstlerische Highlights in diesem Jahr sind Kurse mit überaus renommierten neuen Dozentinnen und Dozenten wie Leiko Ikemura, Johannes Hüppi oder dem Fotografen Hans-Christian Schink. Zum Jubiläumsjahr haben wir darüber hinaus ein Jugendförderprogramm aufgelegt, das jungen Menschen im Alter von 18 bis 25 Jahren äußerst günstige Buchungskonditionen einräumt. Daneben veranstalten wir im Jubiläumsjahr öffentliche Vorträge zu Kunst und Kunstgeschichte, ein Bereich, den ich künftig stärken möchte, und am 18. Juni steigt das große Jubiläumsfest mit sensationellen bis amüsanten künstlerischen Beiträgen unserer Dozenten Ralph Gelbert und Andrea Rozorea, Alfred Darda sowie Manuel und Tobias Gruber. Dazu sind alle herzlich eingeladen!
boesner: Herzlichen Dank für dieses Interview!
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