Die Malerin Stephanie Pech
Pfeilschnell zischt der Kalmar durchs Bild. Eine dunkelblaue Tintenwolke umfängt den feuchtglänzenden roten Körper mit seinen saugnapfbesetzten Fangarmen. In dem großen Auge bricht sich das einfallende Licht. Aus der Dunkelheit des Meeres hat die Malerin Stephanie Pech das scheue Tier auf die Leinwand gebracht und vor einem technisch-kühlen, monochromen Hintergrund isoliert. In der Bewegung stillgestellt, lässt es sich so in aller Ruhe betrachten: Wie ist die Haut des Kopffüßlers beschaffen? Wie greifen die mantelartigen Körpersegmente ineinander? Wo ahnt man Stabilität und Festigkeit, wo weiches, nachgiebiges Gewebe? Wie verteilen sich die Pigmente auf der Haut? Die malerischen Untersuchungen von Stephanie Pech verlangen genaues Hinschauen und zwingen gleichzeitig zur skeptischen Reflexion. Was ‚erkennen’ wir eigentlich beim Sehen? Nur das, was wir sowieso schon wissen oder können wir neue Entdeckungen machen?
Ein Besuch im Atelier von Stephanie Pech eröffnet erstaunliche Welten: pelzige Magnolienknospen, erotisch schwellende Amaryllis, todgeweihte Tintenfische, sich windende Regenwürmer, fliegende Schinkenwurstscheiben. Der nahezu unsichtbare Kosmos der Insekten, die unter der Wasseroberfläche verborgenen Meerestiere, einzelne Blüten, simple Dinge des Alltäglichen werden zu Protagonisten ihrer oftmals großformatigen Malerei. Auf den Leinwänden entwickeln sie eine enorme Vitalität, dort vergrößern sie sich spielerisch um ein Vielfaches, nehmen eine energetisch leuchtende Farbigkeit an, verschwistern sich scheinbar mühelos mit artfremden Dingen. Totes wirkt lebendig, Lebendiges merkwürdig entseelt. Farbschichten und Texturen ziehen den Blick in tiefe, diffuse Bildräume, die sich gleichzeitig immer wieder als malerisch gestaltete Flächen outen. Das Surreale behauptet Wirklichkeit zu sein, die Wirklichkeit erweist sich als Konstrukt.
Stephanie Pech bezeichnet ihre Malerei als figurativ. Seit Künstlerinnen und Künstler zu Beginn des 20. Jahrhunderts erste gegenstandslose Bilder malten, scheint es so gut wie ausgeschlossen, sich nicht entweder zur Figuration oder zur Abstraktion zu bekennen. Dabei zeigt die Begegnung mit dem malerischen Werk von Stephanie Pech, wie wenig trennscharf und weiterführend eine solche Kategorisierung ist: Ihre bühnenartigen Stillleben, ihre doppelbödigen Traumwelten, ihre schreiend lauten Farbakkorde, ihre vielschichtigen Bildebenen und vor allem ihre collageartigen, subtilen Texturen verweben sich zu Bildereignissen, in denen der Gegenstand und die Farbe, das Sujet und seine Stofflichkeit miteinander zu agieren, zu atmen, zu streiten scheinen. In dieser komplexen visuellen Welt kann sich der Sehsinn verlieren, an ihr muss sich der Intellekt abarbeiten. Scheinbar zum Greifen nah rücken die Dinge heran und bleiben doch Erscheinung, Zeichen, Metapher.
So wie sich Figuration und Abstraktion in den Arbeiten von Stephanie Pech spannungsvoll ausbalancieren, so beweglich erweisen sich Zufall und Planung im Malprozess. Nach der Wahl des Bildgegenstandes, ein immer neues, produktives Suchen und Finden, erfolgt die künstlerische Annäherung über Fotografien und Zeichnungen. Herausgelöst aus seinem natürlichen Habitat und dem Scheinwerfer einer erhellend klaren Malerei ausgesetzt, benötigt die handwerklich anspruchsvolle Umsetzung viel Zeit. Um dieser konzeptionellen Herangehensweise einen Kontrapunkt der Unkalkulierbarkeit entgegenzusetzen, arbeitet Stephanie Pech seit einigen Jahren mit so genannten Anthropometrien. Eine Tänzerin rollt ihren mit Farbe bestrichenen Körper über eine am Boden liegende Leinwand und erzeugt so Farbwolken und -schlieren, die für die Malerin den Bildraum produktiv aufbrechen. Es entstehen informelle, farbige Nicht-Kompositionen, in denen einzelne Körperspuren, Hand- oder Fußabdrücke, erkennbar bleiben. In diese ‚wilden Formen’ arbeitet Stephanie Pech mit der ihr eigenen Präzision hinein, aus der ‚reinen Farbe’ entwickelt sich die Konkretion, aus der Flüchtigkeit der Bewegung wird eine malerische Behauptung.
Das malerische Werk von Stephanie Pech begeistert durch die Poesie ihrer Inszenierungen, die üppige Farbigkeit, die Präsenz der Objekte und schließlich die verführerischen Oberflächen, deren malerische Brillanz das Auge anzieht wie die Motten das Licht. Es ist eine Lust, ihre Bilder zu betrachten und man spürt die lustvolle Energie, mit der sie ihren Bildern auf die Welt verhilft – sie steckt in jedem Pinselstrich.
Kommentare sind geschlossen.