Ausstellung

Lichtkünstler und Wolkenmaler

Impressionismus in Holland

Die Landschaftsmalerei hat in den Niederlan­den ihren Ursprung, und der Realismus der Meister des 17. Jahrhunderts blieb lange der Maßstab, an dem es sich künstlerisch zu messen galt. Mit der in Frankreich entwickelten Malerei unter freiem Himmel erhielten die niederlän­dischen Malerinnen und Maler des 19. Jahrhun­derts neue Impulse. Die Ausstellung „Wolken und Licht. Impressionismus in Holland“ im Mu­seum Barberini in Potsdam zeigt bis zum 22. Ok­tober 2023, wie sich Künstlerinnen und Künstler durch die französischen Einflüsse zu einer ganz eigenen, holländischen Form des Impressionis­mus inspirieren ließen.

Die umfassende Schau ist die erste Ausstellung, die sich dem Thema widmet und versammelt rund 100 Werke von etwa 40 Künstlerinnen und Künstlern, darunter in Deutschland bislang kaum gezeigte Schlüsselwerke von Johan Bart­hold Jongkind, Vincent van Gogh, Jacoba van Heemskerck und Piet Mondrian. Zu den Leih­gebern gehören das Rijksmuseum und das Ste­delijk Museum in Amsterdam, das Kunstmu­seum Den Haag, das Dordrechts Museum, das Kröller Müller-Museum in Otterlo und das Sin­ger Museum in Laren.

Seit dem 17. Jahrhundert gehörten Wolken, Wellen und Strand in der altmeisterlichen Landschaftsdarstellung zum Charakteristi­schen der niederländischen Kunst. Erst zu Beginn des 19. Jahr­hunderts erhielt die Landschaftskunst mit Caspar David Fried­rich, William Turner und Pierre-Henri de Valenciennes in ganz Europa neue Relevanz. Als die französischen Impressionisten in der Malerei unter freiem Himmel den Moment als Signum der Moderne feierten, forderte dies unweigerlich die Reaktion der holländischen Künstler heraus: Diesem Dialog widmet sich die Potsdamer Ausstellung und nimmt die Entwicklung der nieder­ländischen Kunst zwischen den 1840er- und den 1910er- Jahren in ihrer Zwiesprache mit dem Impressionismus in den Blick.

Auch die französischen Impressionisten verehrten die holländi­sche Landschaftsmalerei der Alten Meister. Dabei ging es ihnen weniger um die Identifikation mit einer nationalen Landschaft als um den Realismus dieser Malerei. Claude Monet hielt sich 1871 vier Monate in Holland auf. Hier hatte schon sein Vorbild Gustave Courbet in den 1840er-Jahren Abstand vom französi­schen Kunstbetrieb gesucht, um seiner Malerei durch das Studi­um von Wolken und Wellen den für ihn charakteristischen, rea­listisch-direkten Zugriff zu verleihen. Die Sammlung Hasso Platt­ner im Museum Barberini bewahrt zwei Gemälde Monets von diesem Aufenthalt. Sie zeigen eine für Monets Frühwerk unge­wöhnlich intensive Farbigkeit und kraftvoll-kompakte Malweise.

Holländische Künstlerinnen und Künstler sahen die Werke der Maler von Barbizon bei ihren Reisen nach Frankreich und seit den 1880er-Jahren in der Sammlung des Malers Hendrik Willem Mesdag in Den Haag. Wie die französischen Impressionisten im Wald von Fontainebleau, so malten die holländischen Künstler bereits ab etwa 1850 das durch die Bäume hereinbrechende Licht im Wald von Oosterbeek. Die Haager Schule widmete sich der Polderlandschaft unter hohem Himmel und schloss darin wie Eugène Boudin in Frankreich an die Wolkenmalerei der Alten Meister an. Charakteristisch für die Malerei von Willem Roelofs, Anton Mauve und Jacob Maris sind lichthaltige Grautöne, mit denen sie regenschwere Wolken über der Wiesenlandschaft zu Akteuren ihrer Bilder machten. Der Strand ist Schauplatz der Fi­scher, die ausfahren oder ihren Fang anlanden, wobei im Unter­schied zur Marinemalerei oder Ausblicken auf das Meer aus der Zeit der Romantik bereits die subjektive Beobachtung ausschlag­gebend ist.

Auf die Maler der Haager Schule folgten in den 1880er-Jahren die Amsterdamer Impressionisten. Sie entdeckten die Stadt als Ort des modernen Lebens mit Einkaufsstraßen, Kaffeehäusern und elektrischem Licht. Der Strand wird nun Schauplatz für Freizeit­aktivitäten wie Spazierengehen oder Eselreiten. Künstler wie George Hendrik Breitner und Isaac Israels, die die Werke von Claude Monet, Pierre-Auguste Renoir oder Gustave Caillebotte aus den Pariser Ausstellungen kannten, suchten Motive des tech­nischen Fortschritts und gesellschaftlichen Wandels in der eige­nen Umgebung. Die nächste Generation niederländischer Künstler ließ sich ab 1890 vom französischen und belgischen Pointillismus inspirieren, den sie auf Ausstellungen in Amster­dam und Leiden kennenlernten. Für die nach 1905 entstandenen Landschaften, die Anregungen des französischen Fauvismus auf­nahmen, fand sich bald der Begriff Luminismus.

Unvermischte Farben und ihre expressive Steigerung in Simul­tankontrasten verbinden den späten Vincent van Gogh mit dem pointillistischen Frühwerk Piet Mondrians und belegen, wie der Impressionismus der Avantgarde auch in Holland Vorschub leis-tete. Mit der Ausstellung „Impressionismus in Russland. Auf­bruch zur Avantgarde“ hat das Museum Barberini schon 2021 erstmals eine Ausstellung zum europäischen Dialog mit den fran­zösischen Vorbildern gezeigt und den Bogen vom Realismus ei­nes Ilja Repin zur Abstraktion von Natalja Gontscharowa, Michail Larionow und Kasimir Malewitsch geschlagen.

„Auch dank fantastischer Leihgeber wie dem Rijksmuseum, dem Stedelijk Museum oder dem Kunstmuseum Den Haag zeigt die Ausstellung ein prominent besetztes Panorama niederländischer Wolkenmaler und Lichtkünstler“, erklärt Ortrud Westheider, Direktorin des Museums Barberini. „Die holländische Kunst des 19. Jahrhunderts wird in Deutschland kaum gezeigt und ist mit Ausnahme der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen, die in den 1880er-Jahren Werke der Haager Schule ankauften, in hiesigen Museen kaum vertreten. Abgesehen von Künstlern wie Van Gogh und Mondrian, die mit zahlreichen monografischen Ausstellungen präsent waren, sind Malerinnen und Maler wie Jacoba van Heemskerck, Jan Toorop, Jan Sluijters und viele andere, die in den Niederlanden mit großen Retrospektiven gewürdigt wurden, in Deutschland nahezu unbekannt. Durch ihre Nähe zu den Landschaften Max Liebermanns und die Van Gogh-Rezeption der Brücke-Künstler erscheinen sie dennoch vertraut“, erläutert Michael Philipp, Chefkurator am Museum Barberini und Kurator der Ausstellung.


Ausstellung
Bis 22. Oktober 2023
Wolken und Licht
Impressionismus in Holland

Katalog
Wolken und Licht Impressionismus in Holland
Ortrud Westheider, Michael Philipp, Daniel Zamani (Hrsg.), 312 S. m. 200 Farbabb., 24 x 30 cm,geb. m. SU Prestel 2023, ISBN 9783791379982

Kontakt
Museum Barberini
Humboldtstraße 5–6, Alter Markt
14467 Potsdam
Tel. +49-331-236014-499
www.museum-barberini.de

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