Ausstellung

Hyper!

A JOURNEY INTO ART AND MUSIC

In den Hamburger Deichtorhallen erzählt die Ausstellung HYPER! A JOURNEY INTO ART AND MUSIC noch bis zum 4. August 2019 von der Begegnungen zwischen Kunst und Musik und spannt einen Bogen von den 1960er-Jahren bis heute. Wir haben Deichtorhallen-Intendant Dr. Dirk Luckow zu der Ausstellung in seinem Haus befragt.

boesner Kunstportal (boesner): Herr Luckow, die aktuelle Deichtorhallen-Ausstellung „Hyper!“ wird von Autor und Journalist Max Dax kuratiert. Was hat Sie an dieser Zusammenarbeit gereizt?

Dr. Dirk Luckow: Max Dax war Chefredakteur der Musikzeitschrift Spex, leitete lange die Redaktion des Magazins Electronic Beats – er nimmt die Kunst aus der Perspektive der Musik wahr und spürt den Querbezügen zwischen den beiden Genres seit fast dreißig Jahren nach. Seit fast dreißig Jahren spricht er mit Künstlern über Musik oder auch mit Musikern über Kunst. Das Crossover zwischen Musik und Kunst wurde bereits in anderen Ausstellungen aufgegriffen. HYPER! sollte aber bewusst sehr persönlich gehalten sein und sich zugleich am Puls der Zeit bewegen. Dafür war Max Dax der Richtige.

boesner: Was macht den Blick eines Popmusikexperten wie Max Dax auf die Kunst aus?

Dr. Dirk Luckow: Die Kunstwerke treten in der Ausstellung über ihren Musikbezug miteinander in einen Dialog, weniger über stilistische oder formale Dinge. Die Klammer etwa zwischen den Werken von Peter Saville, Scott King, Julien Lescoeur und Kevin Cummins besteht in ihrer Verbindung zur Band Joy Division und der Biographie ihres Sängers Ian Curtis. In der Auswahl dieser Werke steckt der geschulte Blick des Popjournalisten: Die Qualitäten und Zuordnungen der Arbeiten untereinander eröffnen sich jenseits kunsthistorischer Schubladen.

boesner: Wie gut kennen Sie sich aus in Popmusik und -kultur?

Dr. Dirk Luckow: Ich bin in meiner Jugend mit Rockmusik großgeworden, habe Anfang der 1980er- Jahre in Berlin in einer Punkband Schlagzeug gespielt und danach den Bezug zur Musik nur noch sporadisch ausleben können. Jetzt bin ich im Thema wieder drin. Ein großes Vergnügen!

boesner: Was erwartet den Besucher in der Ausstellung?

Dr. Dirk Luckow: Die Werke stammen ganz überwiegend aus den 2000er-Jahren. Der Akzent liegt auf Clubmusik, weniger etwa auf Rockmusik. Zugleich spielen legendäre Bands wie Kraftwerk, Sonic Youth oder die Beatles eine wichtige Rolle in den Werken der Ausstellung. Andere Kunstwerke reflektieren das Massenphänomen Pop-Musik, etwa die großformatige Fotografie von Andreas Gursky, die ein Konzert von Madonna im Staples Center in Los Angeles nur wenige Tage nach den Anschlägen auf das World Trade Center zeigt. Des Weiteren sind Werke von genialen Grenzgängern wie Steven Parrino oder Kim Gordon zu sehen, die sich zwischen Pop, Punk und Avantgardekunst bewegen. Musik und Kunst werden bei ihnen zu kooperierenden, gleichzeitig widerständigen Praktiken wie auch die mitreißende „Black History“-Videocollage von Arthur Jafa. Insgesamt lässt sich sagen: Die Menschen sehen in der HYPER!-Ausstellung etwas in der Kunst, was ohne die Brücke zur Musik – sei sie klassisch oder avantgardistisch – nicht passiert wäre. So werden viele Facetten der engen Beziehungen zwischen zeitgenössischer Kunst und Musik deutlich.

boesner: Die Schau zeigt Exponate u.a.  Kim Gordon, Peter Saville, Albert Oehlen und Bettina Scholz, von Alexander Kluge, Christoph Schlingensief oder Wolfgang Tillmanns und thematisiert Musiker und Bands wie von Bob Dylan, H.P. Baxxter, Joy Division. Wie werden sie zueinander in Beziehung gesetzt?

Dr. Dirk Luckow: Das Bild, das Max Dax von der Beziehung zwischen Kunst und Musik entwirft, ist splittrig. Zugleich ist die Ausstellung in verschiedene Erzählstränge gegliedert. Techniken der Musik wie das Sampeln, Remixen oder Verzerren werden in die Kunst übertragen und mit der Methode des Collagierens, des Appropiierens und des Copy & Paste verknüpft. Musik als Massenprodukt wird dem Kunstwerk als Unikat gegenübergestellt. Fan-Kultur gibt es in der Kunst nicht so wie in der Musik. Auch das wird in der Ausstellung thematisiert. Konkretes Beispiel: Der Titel HYPER! stammt von der Hamburger Techno-Band Scooter, deren Musik sich an harten, monotonen Beats orientiert. Der Titel tauchte 2008 plötzlich in einem Werk des Malers Albert Oehlen auf. HYPER! steht für den puren Rhythmus, wenn man so will, der in den Werken von Albert Oehlen nun auch ins Auge springt.

boesner: Begriffe wie Avantgarde und Pop, Hoch- und Massenkultur dienen der Klassifizierung von Kunst und Kultur. Welche Position bezieht die Ausstellung dazu?

Dr. Dirk Luckow: Mit ihren großen Themenausstellungen haben die Deichtorhallen immer schon über den Tellerrand der Kunst geblickt. Nicht zuletzt gibt es den Anspruch in der Kunst selbst, über die eigene Disziplin hinaus kulturelle Dialoge anzuzetteln oder gattungsübergreifend zu arbeiten. In dem Konzept von Max Dax wird die Hochkultur mit Aspekten der populären Kultur durchmischt. Ein kuratorischer Ansatz, der mich schon lange interessiert. Musik und Kunst werden in der Schau HYPER! zu einer Art Überlebensstrategie gegen den Trott des Alltags und ermöglichen eine visionäre Hoffnung, die der Abgründigkeit des Alltags trotzt. 

boesner: Welche Erkenntnis haben Sie aus HYPER gewonnen? Was hat Sie an der Herangehensweise von Max Dax am meisten überrascht? 

Dr. Dirk Luckow: Begrüßt werden die Besucher am Anfang der Ausstellung von den Türstehern des berühmten Berliner Techno- und House Clubs Berghain – fotografiert vom Boss dieser dämonisch blickenden „Wächter“, dem Fotografen Sven Marquardt. Sie endet mit dem hypnotisierenden 3D motion picture-Werk „Nightlife“ von Cyprien Gaillard, in dem Alton Ellis’ Reggae-Dub-Rhythmus mit der Textzeile „I was born a looser“ die Atmosphäre der Bilder prägt. Der Bogen ist weit gespannt und auf den ersten Blick erscheint die Ausstellung disparat, und dennoch verlassen die Besucher sie mit dem Gefühl, wirklich etwas verstanden zu haben.

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