Ausstellung

Meister des Augenblicks

Frans Hals in der Gemäldegalerie Berlin

Seine von Vitalität und Spontaneität gekennzeichneten Werke sind gleichermaßen Zeugnisse künstlerischer Virtuosität und menschlicher Sensibilität. Als erster Künstler Hollands malte er Außenseiter der Gesellschaft individuell und lebensgroß: Neben Schützen- und Regentenstücken schuf er zahlreiche Einzelbildnisse des Bürgertums in Haarlem, wo er sein ganzes Leben verbrachte. In diesem Sommer feiert die Gemäldegalerie Berlin ihn als einen der größten Porträtmaler aller Zeiten: Die große Sonderausstellung „Frans Hals. Meister des Augenblicks“ ist in Kooperation mit der National Gallery in London und dem Rijksmuseum Amsterdam entstanden und vom 12. Juli bis zum 3. November 2024 in Berlin zu sehen.

Frans Hals, Der Lautenspieler, um 1623/24, Paris, Musée du Louvre Photo, © RMN-Grand Palais (Musée du Louvre) / Franck Raux

Frans Hals, Der Lautenspieler, um 1623/24, Paris, Musée du Louvre Photo
© RMN-Grand Palais (Musée du Louvre) / Franck Raux

Hals‘ Werke zeichnen sich durch ungewöhnliche Lebendigkeit und treffende Charakterisierung aus. Statt konventioneller Posen gibt er den flüchtigen Moment einer Bewegung oder eines Aus- drucks wieder: Seine Dargestellten wirken lebendig, offen und nahbar – Catharina Hooft mit ihrer Amme scheinen sich amüsiert dem Betrachter zuzuwenden, Isaac Abrahamsz Massa und Beatrix van der Laen zeigen keine erstarrte Pose anlässlich ihres offiziellen Hochzeitsporträts, sondern haben glücklich lächelnd auf einem Baumstamm Platz genommen. Hals widmet sich den individuellen Eigenheiten seiner Modelle unvoreingenommen, mit Neugier, Witz und Anteilnahme. Das Lachen oder Lächeln ist dabei ein Schlüsselelement: Auf unübertroffene Art versteht er es, lachende Figuren wirklichkeitsgetreu wiederzugeben. Sein Fröhlicher Trinker und die Malle Babbe sind feinfühlige Momentaufnahmen des realen Lebens. Hals malt soziale Außenseiter*innen ebenso hingebungsvoll wie die bürgerliche Oberschicht. Mit seinen innovativen Genrebildern und Charakterstudien in Lebensgröße verhilft er Randgruppen der Gesellschaft, die in der zeitgenössischen Porträtmalerei keinen Platz finden, zu bis dahin ungekannter Sichtbarkeit.

Frans Hals, Peeckelhaering (Der lustige Zecher), um 1625, Leipzig, Museum der bildenden Künste Leipzig, © Museum der bildenden Künste | PUNCTUM B. Kober

Frans Hals, Peeckelhaering (Der lustige Zecher), um 1625, Leipzig, Museum der bildenden Künste Leipzig
© Museum der bildenden Künste | PUNCTUM B. Kober

Als Sohn eines Tuchmachers in Antwerpen geboren, siedelte Frans Hals als Kind mit seinen Eltern nach der Übernahme Flanderns durch Spanien im August 1585 nach Holland über. 1591 ist die Familie erstmals in Haarlem nachzuweisen – der Stadt, in der Frans Hals sein Leben verbrachte und die er nur ausnahmsweise verlassen sollte. Um 1603 kam er in die Lehre bei Carel van Mander, der in Haarlem eine Malerakademie gegründet hatte. 1604 publizierte van Mander sein bekanntestes Werk, Het Schilderboeck („Malerbuch“), das unter anderem eine wichtige Biografiensammlung niederländischer, deutscher und italienischer Künstler enthält. 1610 wurde Frans Hals in die Lukasgilde auf- genommen, 1644 wurde er ihr Vorsteher. Seit 1617 war er in zweiter Ehe mit Lysbeth Reyniers verheiratet, mit der er acht Kinder hatte; die Mutter seiner beiden ältesten Söhne war nach der zweiten Geburt verstorben. Fünf seiner Söhne wurden später ebenfalls zu Malern ausgebildet. Schon zu Lebzeiten berühmt, reichte der Ruf von Frans Hals weit über die Stadt hinaus. Doch in wirtschaftlichem Sinne war er nicht unbedingt erfolgreich – so ist etwa überliefert, dass Hals 1652 zeitweilig seine Möbel verpfänden musste, um Brotrechnungen bezahlen zu können, und vor seinem Tod Unterstützung von der städtischen Armenverwaltung erhielt. Ende August 1666 starb Frans Hals in Haarlem.

Frans Hals, Catharina Hooft mit ihrer Amme, um 1619/20, © Staatliche Museen zu Berlin, Gemäldegalerie / Christoph Schmidt

Frans Hals, Catharina Hooft mit ihrer Amme, um 1619/20
© Staatliche Museen zu Berlin, Gemäldegalerie / Christoph Schmidt

Die Berliner Gemäldegalerie bewahrt mit zehn Werken eine der umfangreichsten und hochkarätigsten Sammlungen an Bildern von Frans Hals weltweit, darunter Highlights wie die Malle Babbe, das Porträt der Catharina Hooft mit ihrer Amme oder den Knaben mit Flöte. Unter den insgesamt 85 Werken der Ausstellung befinden sich rund 50 der bedeutendsten Gemälde von Frans Hals aus ü ber 20 öffentlichen und privaten Sammlungen in Europa, den USA und Kanada – darunter Werke wie Isaac Abrahamsz Massa und Beatrix van der Laen aus dem Rijksmuseum, Junger Mann mit Totenkopf aus der Londoner National Gallery und Der Lautenspieler aus dem Musée du Louvre. Gezeigt werden auch Werke, die niemals zuvor in Deutschland ausgestellt waren. Dazu zählt das monumentale, über vier Meter breite Schützenstück De magere compagnie ebenso wie zwei außergewöhnliche Gemälde aus den Beständen des Museums fü r westliche und östliche Kunst in Odessa. Bei Letzteren handelt es sich um Hals‘ Darstellungen der Evangelisten Matthäus und Lukas, die erst Ende der 1950er- Jahre wiederentdeckt worden sind und thematisch eine absolute Ausnahme im Werk des Malers darstellen.

Frans Hals, Junger Mann mit Totenkopf (Vanitas), um 1627, London, The National Gallery, © The National Gallery, London

Frans Hals, Junger Mann mit Totenkopf (Vanitas), um 1627, London, The National Gallery
© The National Gallery, London

Neben den Topstücken von Hals präsentiert die Sonderausstellung auch Werke seines Umfelds, seiner Konkurrenten in Haarlem und seiner Schüler*innen. Auf diese Weise wird Hals in Berlin als Ausnahmeerscheinung im Kontext seiner Zeit verortet   und als Künstlerpersönlichkeit wie auch als Lehrer greifbarer. Zu seinen Schüler*innen zählen beispielsweise Adriaen Brouwer, Adriaen van Ostade und Judith Leyster, die als eine der bedeutendsten Künstlerinnen der Niederlande gelten kann. Die Einbeziehung von Werken der Schüler*innen verdeutlicht, dass Hals ihre individuellen Talente und die Spezialisierung auf unterschiedliche Gebiete förderte.

Kühner Pinselstrich und virtuoser Farbauftrag: Die teils skizzenhaft wirkenden Werke von Frans Hals wurden im ausgehenden 19. Jahrhundert mit Begeisterung wiederentdeckt.

Trotz seiner Berühmtheit zu Lebzeiten wurde Frans Hals erst im ausgehenden 19. Jahrhundert begeistert wiederentdeckt. Seine mit kühnem Pinselstrich ausgeführten, skizzenhaft wirkenden Gemälde beeinflussten die Malerei, und aufgrund seines virtuosen Farbauftrags sowie der Spontaneität und Unmittelbarkeit seiner Darstellungen kann Hals als Vorreiter der Moderne gelten. Ende des 19. Jahrhunderts finden sich Realisten und Impressionisten wie Max Liebermann, Wilhelm Leibl und Lovis Corinth in seiner Malerei wieder und nutzen sie als Inspirationsquelle. In Berlin werden daher Werke dieser Künstler im Kontext ihres großen Vorbilds gezeigt. Dadurch wird nicht nur die spezifische Qualität von Hals‘ Werken besonders deutlich, sondern auch ihre weitreichende Wirkung auf die Entwicklung der europäischen Malerei.

Frans Hals, Der lachende Kavalier, 1624, London, The Wallace Collection, © Wallace Collection, London, UK
Frans Hals, Der lachende Kavalier, 1624, London, The Wallace Collection © Wallace Collection, London, UK
Frans Hals, Malle Babbe, um 1640, Berlin, © Staatliche Museen zu Berlin, Gemäldegalerie / Christoph Schmidt
Frans Hals, Malle Babbe, um 1640, Berlin © Staatliche Museen zu Berlin, Gemäldegalerie / Christoph Schmidt
Frans Hals, Porträt eines Paares, vermutlich Isaac Abrahamsz Massa und Beatrix van der Laen, um 1622, Amsterdam, Rijksmuseum, © Rijksmuseum, Amsterdam
Frans Hals, Porträt eines Paares, vermutlich Isaac Abrahamsz Massa und Beatrix van der Laen, um 1622, Amsterdam, Rijksmuseum © Rijksmuseum, Amsterdam
Frans Hals, Singender Knabe mit Flöte, um 1627, © Staatliche Museen zu Berlin, Gemäldegalerie / Christoph Schmidt
Frans Hals, Singender Knabe mit Flöte, um 1627 © Staatliche Museen zu Berlin, Gemäldegalerie / Christoph Schmidt

Die Berliner Ausstellung, die zuvor in der Londoner National Gallery und danach im Rijksmuseum Amsterdam zu sehen war, wird kuratiert von Katja Kleinert, Kuratorin für niederländische und flämische Kunst des 17. Jahrhunderts, und Erik Eising, wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Gemäldegalerie. Sie wird unterstützt von der Fontana Stiftung, dem Kuratorium Preußischer Kulturbesitz, dem Kaiser Friedrich Museumsverein, der Ernst von Siemens Kunststiftung und der Stiftung Heinz Kuckei Collections Berlin.


Ausstellung
Frans Hals. Meister des Augenblicks
12. Juli bis 3. November 2024

Kulturforum, Gemäldegalerie
Matthäikirchplatz, 10785 Berlin
www.smb.museum
Bildung, Vermittlung, Besucherdienste
(Montag bis Freitag 09.00 bis 16.00 Uhr)
Tel. +49-(0)30-266424242

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