Ausstellung

Erfindung, Gefühl und malerische Bravour

350. Todestag: Das Rembrandt-Jubiläum wird mit zahlreichen Ausstellungen begangen

Die Niederlande im Rembrandt-Fieber: Der 350. Todestag des berühmtesten holländischen Malers ist in diesem Jahr Anlass für zahlreiche, in einem „Themenjahr“ gebündelte Ausstellungen.

Als Prinzessin Beatrix am 30. Januar im Mauritshuis in Den Haag das Jubiläumsjahr eröffnete, gab sie den Startschuss zu einer Gratulationscour, die in den Niederlanden, aber auch in Deutschland auf Hochtouren läuft. Natürlich ist Rembrandt Harmenszoon van Rijn alles andere als ein Unbekannter. Neben Peter Paul Rubens gilt er als bedeutendster Barockmaler nördlich der Alpen und als Aushängeschild des „Goldenen Zeitalters der niederländischen Malerei“. Der Künstler, der 1606 in Leiden geboren wurde und 1669 in Amsterdam starb, genoss schon bei den Zeitgenossen hohe Anerkennung und erhielt zahlreiche Aufträge, obwohl seine letzten Jahre von finanziellen Schwierigkeiten überschattet waren.
Rembrandts „lebendige Erfindungskraft“ und „Gefühlstiefe“ würdigte der Diplomat und Sammler Constantijn Huygens 1631 in seiner Autobiografie. Ein Urteil, das bis heute Bestand hat. Begebenheiten aus dem Alten und Neuen Testament, mythologische Stoffe, Bildnisse des Adels und des wohlhabenden Bürgertums, nicht zuletzt Selbstporträts – all das war schon vor Rembrandt Gegenstand der künstlerischen Darstellung. Doch er wusste diese Geschichten so anschaulich, packend und originell zu schildern, als hätten sie zum ersten Mal ihren Weg auf die Leinwand gefunden. Rembrandts malerische Bravour stand diesem Einfallsreichtum in nichts nach. Die spontane Pinselschrift, die es vor allem in späteren Werken bisweilen bei Andeutungen belässt und somit auf die Moderne vorausweist (die das Non-finito liebt), zählt ebenso zu seinen stilistischen Charakteristika wie das spannungsreiche Helldunkel, das die wesentlichen Elemente eines Gemäldes oder einer Radierung hervorhebt. Dieser zuspitzende Bühnencharakter ist oft betont worden, und er unterscheidet Rembrandt beispielsweise von seinem französischen Zeitgenossen Nicolas Poussin – in dessen Historienbildern herrschen Gleichmäßigkeit und Ausgewogenheit.
An Rembrandts künstlerischem Rang zweifelt niemand – welche ihm zugewiesenen Werke garantiert eigenhändig sind, darüber jedoch herrscht in der Fachwelt alles andere als Einigkeit. Es dürfte kaum ein anderes Œuvre eines Alten Meisters geben, das von der kunsthistorischen Forschung so unterschiedlich bewertet worden ist. Schrieb man Rembrandt zu Beginn des 20. Jahrhunderts mehr als 700 Gemälde zu, so sorgte das sogenannte Rembrandt Research Project für Ernüchterung. Seit den Siebzigerjahren mit der kniffligen und undankbaren Aufgabe befasst, Originäres von Werkstattarbeit, Kopie oder Nachschöpfung im Geiste des populären Künstlers zu unterscheiden, reduzierten die Rembrandt-Forscher den Kanon auf circa 350 Bilder. Immer noch ein respektabler Fundus.
Obwohl diese Gemälde über Museen in der ganzen Welt verteilt sind, gibt es eine zentrale Anlaufstelle des Rembrandt-Kults: Das Rijksmuseum in Amsterdam besitzt mit rund 20 Gemälden, etwa 60 Zeichnungen und circa 1300 Radierungen den größten Werkbestand. Die Retrospektive „Alle Rembrandts“ kann mithin aus dem Vollen schöpfen. Vom 1628 entstandenen, bereits geheimnisvoll verschatteten „Selbstporträt als junger Mann“ bis zum „Selbstbildnis als Apostel Paulus“ von 1661 (Rembrandt war damals 55 Jahre alt) erstreckt sich der Parcours im Rijksmuseum.

Im Zentrum selbstverständlich „Die Nachtwache“ von 1642: Außerordentlich, was Rembrandt aus diesem zeremoniösen Thema – dargestellt ist der Aufmarsch der Amsterdamer Gilde der Büchsenschützen – gemacht hat. Das monumentale Bild vereint zahlreiche faszinierende Figuren, von denen die eine oder andere durchaus als Einzeldarstellung brillieren könnte. Das gilt nicht nur für die beiden Hauptprotagonisten – also den Kapitän der Gilde, Frans Banning Cocq, der mit sprechender Geste den Marschbefehl an seinen Leutnant Willem van Ruytenburgh erteilt; das gilt auch für den im Vordergrund zu sehenden rotgekleideten Mann, der seine Büchse stopft, oder für das kleine Mädchen daneben, das offenbar als Allegorie gemeint ist, trägt es doch am Gürtel ein Huhn, dessen Kralle das Symbol der Büchsenschützengilde war. „Die Nachtwache“ (den Titel bekam das Bild erst im 18. Jahrhundert, als es stark nachgedunkelt war) wird nicht von ungefähr als nationales Symbol der Niederlande betrachtet. Wenn im Juli eine Restaurierung des Bildes beginnt (die erste seit 40 Jahren), kann das eigentlich nur unter den Augen der Öffentlichkeit geschehen. Das Museum inszeniert die Auffrischung des Gemäldes, geschützt durch einen Glaspavillon, als öffentliches Event, live im Internet übertragen.

Vom Rijksmuseum braucht man zu Fuß nur rund 25 Minuten, um zu einem anderen Wallfahrtsort für Rembrandt-Bewunderer zu gelangen. Die Rede ist von seinem einstigen Wohnhaus in der Jodenbreestraat, dem heutigen Museum Het Rembrandthuis. 1631 zog es den Maler von Leiden nach Amsterdam – im 17. Jahrhundert nicht nur das wirtschaftliche Zentrum der Niederlande, sondern auch Schauplatz eines florierenden Kunstmarktes. Drei Jahre später heiratete er Saskia van Uylenburgh, Tochter eines wohlhabenden Patriziers. 1639 schließlich erwarb er das heutige Rembrandthaus, das er indes 1656, als die Geschäfte nicht mehr wie früher liefen, auf seinen Sohn Titus überschrieb, um sich anschließend für zahlungsunfähig zu erklären. Das Haus und seine Sammlung (eher eine Schatzkammer als ein Kunstkabinett) wurden versteigert. Rembrandt zog in die Rozengracht – ein beträchtlicher gesellschaftlicher Abstieg.

Die im Museum Het Rembrandthuis präsentierte Ausstellung „Rembrandts soziales Netzwerk“ will uns den Menschen näherbringen – was bei diesem Maler zugleich bedeutet, tiefer in seine Kunst einzutauchen. Künstlerfreunde wie Jan Lievens oder Roelant Roghman und Sammler wie Jan Six sind ebenso vertreten wie Saskia, die 1642, mit nicht einmal 30 Jahren, starb (ihr wunderbares Porträt in Kassel, Museum Schloss Wilhelmshöhe, ist dort Gegenstand einer eigenen Rembrandt-Ausstellung), sein Sohn Titus, seine zweite Lebensgefährtin Hendrickje Stoffels (sie starb 1663, sechs Jahre vor Rembrandt) und die gemeinsame Tochter Cornelia. Wer zurück zu den Wurzeln des Künstlers will, dem sei die Ausstellung „Der junge Rembrandt“ im Museum De Lakenhal in Leiden empfohlen. Rund 40 Gemälde, 20 Zeichnungen und 120 Grafiken vergegenwärtigen das zwischen 1624 und 1634 entstandene Frühwerk – einbezogen sind auch sein Lehrer Pieter Lastman und sein Freund Jan Lievens, mit dem er 1625 eine eigene Werkstatt gründete.

Besitzt das Rijksmuseum in Amsterdam den umfangreichsten Bestand an Gemälden des Meisters, so darf sich das Mauritshuis in Den Haag damit brüsten, dass es den zweiten Platz in dieser Rangliste einnimmt. Von den 18 Bildern, die einst als Rembrandts für die Sammlung des Museums erworben wurden, sind elf über alle Zweifel erhaben. Das bedeutendste ist „Die Anatomie des Dr. Nicolaes Tulp“. Diese Darstellung einer anatomischen Vorlesung, entstanden 1632, bescherte dem Künstler seinen Durchbruch als Porträtmaler. Das Zentrum des Gruppenbildes besetzt der Vorsteher der Amsterdamer Chirurgengilde, Nicolaes Tulp; vor ihm liegt ein Leichnam (offenbar der eines eben hingerichteten Verbrechers), dessen Arm- und Handmuskulatur Tulp zu Lehrzwecken seziert, dabei aufmerksam beobachtet von sieben anderen Ärzten.

So nüchtern die Aufmachung der Chirurgen, gekleidet in schwarze Gewänder, die ein weißer Spitzenkragen abschließt, so bewegt und variantenreich die Posen der professionellen Zuschauer, die sich um den Leichnam versammeln und von der Demonstration tief beeindruckt scheinen. „Die Wirkung und Spannung der Szene beruht auf dem Kontrast zwischen der kalten Starre des Leichnams und der unbewegten Würde des Professors gegenüber der unverhohlenen Neugier einiger Chirurgen“, analysiert der britische Kunsthistoriker Christopher Wright treffend in seiner Rembrandt-Monographie. Die Schauplätze des Kontinents Rembrandt sind mit diesen Hinweisen zu Ausstellungen in Amsterdam, Den Haag oder Leiden lediglich angedeutet. Im Jubiläumsjahr gibt es rund um Rembrandt viel zu entdecken. Und das nicht nur in den Niederlanden. Hierzulande feiern den Künstler Präsentationen in Dresden, Hamburg, Kassel, Köln und München. So viel Rembrandt war nie!

Auf einen Blick
Rembrandt-Ausstellungen im Jubiläumsjahr

„Rembrandt, Vermeer und das Goldene Zeitalter der Niederlande. Meisterwerke von der Leiden Collection und dem Musée du Louvre“
Dauer: 14. February bis 18. Mai
Ort: Louvre Abu Dhabi, Vereinigte Arabische Emirate
www.theleidencollection.com

„Alle Rembrandts“
Dauer: 15. Februar bis 10. Juni
„Rembrandt-Velázquez“
Dauer: 11. Oktober bis 19. Januar 2020
Ort: Rijksmuseum Amsterdam
www.rijksmuseum.nl

„Rembrandts soziales Netzwerk“
Dauer: 1. Februar bis 19. Mai
„Inspiriert durch Rembrandt. 100 Jahre Sammeln im Museum het Rembrandthuis“
Dauer: 7. Juni bis 1. September
Ort: Museum het Rembrandthuis, Amsterdam
www.rembrandthuis.nl

„Rembrandts Meisterwerke aus dem Israel Museum in Jerusalem“
Dauer: 13. September bis 10. November
Ort: Jüdisches Historisches Museum, Amsterdam
www.jck.nl

„Rembrandt und das Mauritshuis“
Dauer: bis 15. September
Ort: Mauritshuis, Den Haag
www.mauritshuis.nl

„Rembrandts Strich“
Dauer: 14. Juni bis 15. September
Ort: Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Residenzschloss
www.skd.museum

„Rembrandt. Meisterwerke aus der Sammlung“
Dauer: 13. August bis 5. Januar 2020
Ort: Hamburger Kunsthalle
www.hamburger-kunsthalle.de

„Kassel… verliebt in Saskia: Liebe und Ehe in Rembrandts Zeit“
Dauer: 12. April bis 11. August
Ort: Museumslandschaft Hessen Kassel, Museum Schloss Wilhelmshöhe, Kassel
www.museum-kassel.de

„Inside Rembrandt • 1606–1669“
Dauer: 1. November bis 1. März 2020
Ort: Wallraf-Richartz-Museum & Fondation Corboud, Köln
www.wallraf.museum

„Der junge Rembrandt“
Dauer: 3. November bis 8. Februar 2020
Ort: Museum De Lakenhal, Leiden
www.lakenhal.nl

„Rembrandts Licht“
Dauer: 4. Oktober bis 2. Februar 2020
Ort: Dulwich Picture Gallery, London
www.dulwichpicturegallery.org

„Rembrandt – Graphische Höhepunkte der Münchner Sammlung“
Dauer: 27. September bis 20. Oktober
Ort: Staatliche Graphische Sammlung München, Pinakothek der Moderne
www.pinakothek.de

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Das Rijksmuseum Amsterdam, gegründet 1800 (damals noch in Den Haag), besitzt die umfangreichste Sammlung zur Malerei des Goldenen Zeitalters der Niederlande (17. Jahrhundert). Der heutige Sitz des Museums, ein von Pierre Cuypers im historistischen Stil entworfenes Prachtgebäude, wurde 1885 eröffnet. 2003–2013 wurde das Museum nach Plänen der spanischen Architekten Antonio Cruz und Antonio Ortiz umfassend renoviert und modernisiert. Zum Bestand des Rijksmuseum gehören rund eine Million Kunstwerke und kulturhistorische Objekte; davon werden circa 8000 ausgestellt.

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