In Weimar, Dessau, Berlin wird die Gründung des Bauhauses vor hundert Jahren gefeiert
Vor hundert Jahren wurde das Bauhaus in Weimar gegründet und seit Januar wird gefeiert, also inzwischen neun Monate lang. Das zeigt sich an Veranstaltungen und Ausstellungen in ganz Deutschland. In den vierzehn Jahren ihres Bestehens zog die Schule zweimal um und wurde insgesamt von drei Direktoren geleitet. Von 1919 bis 1928 hieß der Leiter Walter Gropius (1883–1919), ein Architekt, der das sogenannte Bauhaus-Manifest verfasste, das mit dem denkwürdigen Satz beginnt: „Das Endziel aller bildnerischen Tätigkeit ist der Bau!“
Und tatsächlich sprechen wir auch heute noch von der Bauhaus-Architektur. Hinzu gesellt sich das Design. Der im Manifest formulierte Anspruch auf Gleichberechtigung von Kunst und Handwerk wird durch das Titelblatt des Manifests visuell umgesetzt, einem Holzschnitt, der mit dem Bild einer gotischen Kathedrale auf die Bauhütten des Mittelalters verweist, in denen Künstler und Handwerker Hand in Hand Bau und Ausstattung einer Kirche bewältigten.
Doch war das Bauhaus natürlich keine mittelalterliche Bauhütte. Es änderte auch immer wieder sein Grundsatzprogramm, was einerseits an äußeren Gegebenheiten wie finanziellen Zwängen lag, andererseits aber auch an den Umzügen nach Dessau 1926 und Berlin 1932, sowie an den unterschiedlichen Auffassungen von Gropius und seinen Nachfolgern Hannes Meyer (1889–1954) und Ludwig Mies van der Rohe (1886–1969).
Die unterschiedlichen Gewichtungen finden sich zwar vor allem an den drei Orten, an denen sich das Bauhaus befunden hat, sind aber auch andernorts aufbereitet. Das Programm in all seiner Vielfalt findet sich auf der Website www.bauhaus100.de .
In Berlin fand im Januar eine Auftaktveranstaltung statt, und bis 27. Januar 2020 zeigt das Bauhaus-Archiv / Museum für Gestaltung in der Berlinischen Galerie unter dem Titel „original bauhaus“ etwa 1.000 berühmte, bekannte und vergessene Bauhaus-Originale aus den eigenen Beständen, bereichert durch Leihgaben aus internationalen Sammlungen. Die Ausstellung will auch Geschichten erzählen, die sich hinter den Objekten verbergen, zum Beispiel wie die Sitzende im Stahlrohrsessel zur berühmtesten Unbekannten des Bauhauses wurde oder warum das Tee-Extraktkännchen von Marianne Brandt (1893–1983), das als Prototyp für die Industrie geschaffen worden war, immer ein Unikat blieb.
In drei Jahren wird dann in Berlin das von Walter Gropius 1979 gebaute Bauhaus-Archiv wiedereröffnen, vergrößert durch einen Anbau des Berliner Architekten Volker Staab.
In Weimar hat bereits im April das neue Museum seine Tore geöffnet, ein Kubus aus Beton fast ohne Fenster, der bei der Eröffnung in der Presse wenig schmeichelhaft als „Mausoleum“ bezeichnet wurde. In dem von der Berliner Architektin Heike Hanada errichteten Gebäude, mit dem sie sich auf die Frühphase des Bauhauses beziehen wollte, werden in drei Geschossen Werke und Geschichte des Bauhauses gezeigt. Herzstück der inzwischen 13.000 Objekte umfassenden Sammlung sind die 168 Arbeiten, die Gropius gemeinsam mit einer Fotodokumentation 1925 der Stadt überließ, als das Bauhaus Weimar verlassen musste. Diese in Kisten verpackten Stücke wurden erst 1955 wiederentdeckt und werden seitdem wie ein Schatz gehütet. Zu ihnen gehört auch die von Peter Keler (1898–1982) entworfene Wiege.
Anfang September hat nun das neue Bauhaus Museum in Dessau eröffnet, wodurch endlich die Sammlung ein adäquates Zuhause gefunden hat, denn im Bauhausgebäude selbst konnten viele Stücke aus konservatorischen Gründen nicht gezeigt werden. Außerdem mangelte es an Platz.
Den offenen Architekturwettbewerb gewann das Architekturkollektiv addenda architects (González Hinz Zabala) aus Barcelona. In einer gläsernen Hülle schwebt ein Riegel aus Stahl, der mit seiner schwarzen Farbe an eine Black Box erinnert. Dort werden die Ausstellungsstücke präsentiert, während das transparente Erdgeschoss als offene Bühne dient. Hier finden Wechselausstellungen, aber auch Perfomances und andere Veranstaltungen statt, die sich eher der Gegenwart als der Vergangenheit widmen.
Bereits seit dem Frühjahr können andere Bauhausbauten in Dessau, unter ihnen auch solche, die vorher eingeschränkt oder gar nicht zugänglich waren, besichtigt werden. Die Tour „Bauhaus Bauten Dessau: Originale neu erzählt“ reicht vom Restaurant Kornhaus im Norden bis zur Siedlung Dessau-Törten im Süden und schließt die Meisterhäuser wie dasjenige, in dem Wassily Kandinsky und Paul Klee lebten, und das durch seine bunte Farbgestaltung in den Innenräumen besticht, ebenso mit ein wie das Arbeitsamt von Walter Gropius, die Laubenganghäuser von Hannes Meyer und Teile der Siedlung Törten wie das Konsumgebäude.
Doch wird nicht nur in Ausstellungen und neuen Museen, sondern auch in neu erschienenen Büchern das Bauhaus gefeiert.
Groß und gewichtig kommt das Buch „Bauhaus“ von Magdalene Droste daher, langjährige Leiterin des Bauhaus-Archivs Berlin. Bereits 1990 erstmals erschienen, besitzt die aktualisierte Ausgabe (Taschen Verlag, ISBN 9783836572798) nicht nur ein größeres Format, sondern auch einen sehr viel größeren Umfang, der durch die erweitere Anzahl an hervorragenden Abbildungen zustande kommt, von denen viele ganzseitig abgedruckt sind. In ihm findet sich nicht nur die Geschichte des Hauses, es wird auch ein Augenmerk auf die einzelnen Werkstätten und Lehrer gelegt, auf die wichtigsten entstandenen Bauten und Produkte, auf den Unterricht. So dient es auch immer wieder als Nachschlagewerk (2019 ist es noch einmal in kleinerem Format erschienen, Taschen Verlag, ISBN 9783836565516).
Sehr viel kleiner und unscheinbarer, aber dennoch ungeheuer informativ ist das in der Reihe Wissen des C. H. Beck Verlages erschienene Taschenbuch „Das Bauhaus. Werkstatt der Moderne“ von Winfried Nerdinger, das eine kritische Lesart bietet (C.H. Beck Verlag, ISBN 9783406727603). Hier fehlt die im Jubeljahr überall angestimmte Glorifizierung völlig. Die vom Autor angestrebte sachliche, faktenbasierte historische Analyse, die er sowohl der Mystifizierung als auch der andererseits vielfach betriebenen Demontage entgegensetzt, ist auf eindrucksvolle Weise gelungen.
Ein Thema, das bislang noch nicht angesprochen wurde, das aber heute in aller Munde ist, ist das der Frauen am Bauhaus. Zu Beginn waren die Studentinnen in der Überzahl, doch das änderte sich bald. Auch durften sie nur dann, wenn sie genügend Durchsetzungsvermögen besaßen, in einer anderen Werkstatt lernen als in der angeblich für Frauen geeigneten Weberei. Dort konnte dann tatsächlich sogar eine Frau, Gunta Stölzl (1897–1983), die Leitung übernehmen. Sie hatte erst am Bauhaus studiert und übernahm dann 1925 als Werkmeisterin die Weberei. Ihr Name ist ebenso bekannt wie der von Marianne Brandt (1893–1983), die erst Studierende, dann Mitarbeiterin in der Metallwerkstatt war und deren Tee-Extraktkännchen zu einer der Ikonen des Bauhauses gehört. Doch schon Anni Albers (1899–1994) verschwindet hinter dem Namen ihres so viel berühmteren Mannes Josef Albers (1888–1976), obwohl auch sie bedeutende Werke hinterlassen hat, allerdings auch auf textile Arbeiten reduziert. Eine andere Frau, Lilly Reich (1885–1947), war zwar nur kurz am Bauhaus, jedoch davor schon arbeitete sie in Gemeinschaft mit Mies van der Rohe, nicht als seine Mitarbeiterin, sondern eigenständig und es gibt die nicht ganz unbegründete Vermutung, dass von ihr viele der Möbelentwürfe stammen, die urheberrechtlich als Werke von Mies van der Rohe gelten. Denn nur in der Zeitspanne, als die beiden eine Lebens- und Arbeitsgemeinschaft führten, hat Mies van der Rohe Möbel entworfen – weder davor, noch danach.
Über diese Frauen – und viele weitere – sind inzwischen einige Bücher erschienen. Eines von ihnen behandelt die Biografien von 45 Frauen („Frauen am Bauhaus“, Knesebeck Verlag, ISBN 9783957282309). Viele von ihnen sind höchstens den absoluten Bauhaus-Spezialisten bekannt, andere wiederum vermisst man wie die Malerin Ida Kerkovius (1879–1970), die als bereits erfolgreiche Malerin 1920 bis 1923 in den Wintersemestern den Vorkurs von Johannes Itten (1888–1967) besuchte, sich dann aber auch bei Klee und Kandinsky weiterbildete und sich bei Stölzl in die Kunst der Weberei einführen ließ.
Auch Maria Rasch (1897–1959) fehlt. Sie besitzt zwar als Malerin einen gewissen Bekanntheitsgrad, doch bringt man sie nicht mit dem Bauhaus in Verbindung. Von 1919 bis 1923 studierte sie am Weimarer Bauhaus bei Wassily Kandinsky und Lyonel Feininger und legte anschließend ihre Gesellenprüfung in der Werkstatt für Wandmalerei ab. Das allein wäre wahrscheinlich kaum eine Erwähnung wert. Doch entstammte sie der Familie, der die Tapetenfabrik Gebrüder Rasch & Co. in Bramsche gehörte und machte 1928 ihren Bruder Emil mit Hannes Meyer bekannt. Aus dieser Bekanntschaft erwuchs 1929 eine Zusammenarbeit. Bis heute stellt die Firma Bauhaus-Tapeten her. Die Geschichte dieser Bauhaustapeten ist noch bis zum 8. Dezember dieses Jahres im Museumsquartier in Osnabrück zu sehen.
Auf einen Blick
Stiftung Bauhaus Dessau
Gropiusallee 38, 06846 Dessau-Roßlau
bauhaus-dessau.de
Bauhaus-Museum Weimar
Stéphane-Hessel-Platz 1, 99423 Weimar
www.klassik-stiftung.de/bauhaus-museum-weimar
Ausstellungen
Bis 27. Januar 2020: Original Bauhaus. Die Jubiläumsausstellung
Berlinische Galerie. Landesmuseum für Moderne Kunst, Fotografie und Architektur
Alte Jakobstraße 124–128, 10969 Berlin
www.bauhaus.de, www.berlinischegalerie.de
Bis 8. Dezember 2019: Bauhaustapete – neu aufgerollt
Museumsquartier Osnabrück, Kulturgeschichtliches Museum
Lotter Straße 2, 49078 Osnabrück
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