Ausstellung

Das Abenteuer der Malerei

Seine Sujets sind die alltäglichen Dinge: Zerquetschte Tuben. Benutzte Pflaster. Ausgelesene Zeitungen, eine heruntergebrannte Kerze oder Bücherstapel im Atelier. Cornelius Völker malt überstreckte Hälse und blasse Knie ebenso akribisch wie kunstvoll aufgestecktes Haar oder heilende Wundnähte. Er hat Schokoladentafeln zum künstlerischen Thema erkoren, Marmeladenbrote, Hunde oder Meerschweinchen in Serie. Doch der eigentliche Protagonist in seinen Bildern ist die Farbe selbst. „Farbe hat ihr eigenes Verlangen“, sagt Cornelius Völker, „sie macht nicht alles mit.“

Doch sein gekonnter Umgang mit der Farbe belehrt den Betrachter schnell eines Besseren: Es scheint kaum etwas zu geben, zu dem Völker seine Farbe nicht überreden kann. Gewissenhaft lotet er ihr Potenzial aus und feiert gleichzeitig ihre Möglichkeiten: Cornelius Völkers Farbe erscheint rau oder glatt, lasierend-transparent oder üppig und pastos. Sie macht in minutiösen oder explosiven Strichen den Pinselduktus spürbar oder lässt ihn ganz verschwinden. Cornelius Völkers Farbe leuchtet, verführt oder droht unheilvoll mit Auflösung. Der Titel der aktuellen Ausstellung in der Kunsthalle Münster am Hafenweg ist Programm: „About Painting“ – Cornelius Völkers Malerei ist Reflexion über die Malerei.

Cornelius Völker, © und Foto: Atelier Cornelius Völker, 2016

Seit nahezu 25 Jahren erkundet Cornelius Völker die Malerei in allen erdenklichen Spielarten. Geboren 1965 in Kronach, studierte er in den Jahren 1989 bis 1995 an der Kunstakademie Düsseldorf bei A.R. Penck und Dieter Krieg. Heute lebt Völker in Düsseldorf und New York und bekleidet seit 2005 eine Professur an der Kunstakademie Münster. Gezeigt werden im fünften Geschoss des ehemaligen Speichergebäudes am Hafen insbesondere Arbeiten aus den Jahre 2011 bis 2016, darunter zahlreiche Werke, die bislang noch nicht öffentlich zu sehen waren.

Cornelius Völker, Dutt, 2014, Öl auf Leinwand, 50x50 cm Foto: Christoph Münstermann, Düsseldorf © Cornelius Völker, 2016 VG Bild-Kunst Bonn
Cornelius Völker, Dutt, 2014, Öl auf Leinwand, 50 x 50 cm © VG Bild-Kunst Bonn, 2017/ Cornelius Völker, Foto: Christoph Münstermann, Düsseldorf
Cornelius Völker, Naht, 2016, Öl auf Leinwand, 50x50 cm Foto: Christoph Münstermann, Düsseldorf © Cornelius Völker, 2016 VG Bild-Kunst Bonn
Cornelius Völker, Naht, 2016, Öl auf Leinwand, 50 x 50 cm © VG Bild-Kunst Bonn, 2017/ Cornelius Völker, Foto: Christoph Münstermann, Düsseldorf
Cornelius Völker, Trauben, 2016, Öl auf Leinwand, 30x35 cm Foto: Christoph Münstermann, Düsseldorf © Cornelius Völker, 2016 VG Bild-Kunst Bonn
Cornelius Völker, Trauben, 2016, Öl auf Leinwand, 30 x 35 cm © VG Bild-Kunst Bonn, 2017/ Cornelius Völker, Foto: Christoph Münstermann, Düsseldorf
Cornelius Völker, Lache, 2013, Öl auf Leinwand, 220x150 cm Foto: Christoph Münstermann, Düsseldorf © Cornelius Völker, 2016 VG Bild-Kunst Bonn
Cornelius Völker, Lache, 2013, Öl auf Leinwand, 220 x 150 cm © VG Bild-Kunst Bonn, 2017/ Cornelius Völker, Foto: Christoph Münstermann, Düsseldorf
Cornelius Völker, Pflaster, 2013, Öl auf Leinwand, 40x55 cm Foto: Christoph Münstermann, Düsseldorf © Cornelius Völker, 2016 VG Bild-Kunst Bonn
Cornelius Völker, Pflaster, 2013, Öl auf Leinwand, 40 x 55 cm © VG Bild-Kunst Bonn, 2017/ Cornelius Völker, Foto: Christoph Münstermann, Düsseldorf
Cornelius Völker, Kleidung, 2014, Öl auf Leinwand, 200x200cm Foto: Christoph Münstermann, Düsseldorf © Cornelius Völker, 2016 VG Bild-Kunst Bonn
Cornelius Völker, Kleidung, 2014, Öl auf Leinwand, 200x200cm © VG Bild-Kunst Bonn, 2017/ Cornelius Völker, Foto: Christoph Münstermann, Düsseldorf
Cornelius Völker, Kerze, 2014, Öl auf Leinwand, 45x50 cm Foto: Christoph Münstermann, Düsseldorf © Cornelius Völker, 2016 VG Bild-Kunst Bonn
Cornelius Völker, Kerze, 2014, Öl auf Leinwand, 45 x 50 cm © VG Bild-Kunst Bonn, 2017/ Cornelius Völker, Foto: Christoph Münstermann, Düsseldorf
Cornelius Völker, Illon Abszess, 2015, Öl auf Leinwand, 120x160 cm Foto: Christoph Münstermann, Düsseldorf © Cornelius Völker, 2016 VG Bild-Kunst Bonn
Cornelius Völker, Illon Abszess, 2015, Öl auf Leinwand, 120 x 160 cm © VG Bild-Kunst Bonn, 2017/ Cornelius Völker, Foto: Christoph Münstermann, Düsseldorf

„Er plündert die Archive der hohen Kunst wie ein visueller Kidnapper par excellence.“

Seine Themen wählt er gezielt. „Nichts ist zu banal oder zu heilig für Völkers künstlerische Neugier und Überprüfung“, schreibt Kuratorin Gail Kirkpatrick im Ausstellungskatalog. „Er plündert die Archive der hohen Kunst wie ein visueller Kidnapper par excellence.“¹ Die Kunstgeschichte ist Cornelius Völker unverzichtbarer Anker und Inspiration zugleich. In Münster ist etwa einer seiner großformatigen Bücherstapel zu sehen – wie seine Werke „Who’s Afraid of Red Yellow and Blue“ und „Hendrickje“ ist auch „Marilyn“ (2014) nicht nur überdimensionale Spiegelung von Realität, sondern gleichermaßen Reflexion über die Kunst. Ein Stapel kunstgeschichtlicher Bücher aus seiner Bibliothek, mit Eselsohren, Lesezeichen und Gebrauchsspuren. Aufgeschlagen ein Band mit Andy Warhols „Marilyn“ –wo endet das Zitat des Originals und wo beginnt der authentische Völker?

Malerei, die sich selbst zum Gegenstand macht, Rückbezüge schafft – denn im seltensten Fall sehen wir das Bild selbst, sondern vielmehr Bilder vom Bild. Mit profundem Wissen und einer hochkonzentrierten visuellen Sensibilität wählt der Künstler Motive von Rembrandt bis Jean-François Millet und von Édouard Manet bis Vincent van Gogh, die als Katalysatoren für seine ständige künstlerische Bildrecherche dienen. So gemahnt das mit einem Klebestreifen an der schwarzen Wand befestigte „Blatt“ von 2014 an die meisterlichen Trompe l’œils des niederländischen 17. Jahrhunderts. Das kollektive Bildarchiv der Kunstgeschichte verschmilzt mit der für Völker typischen Darstellungsweise von Dingen aus dem Alltag. Auf diese Weise stellt er die Beziehung zwischen Hoch- und Alltagskultur infrage – und provoziert mit seinem Auswahl- und Adaptionsprozess wiederum eine Reihe von Fragen: Was bedeutet es, Bilder in einem anderen Kontext zu reproduzieren? Ist es möglich, ästhetische Standards aus der Vergangenheit in eine neue, zeitgenössische Bildsprache zu übertragen? Völkers Interesse an historischen Gemälden wird getragen von dem ständigen Be- und Hinterfragen des Mediums an sich.

Cornelius Völker, Blüten, 2016, Öl auf Leinwand, 260x200 cm Foto: Christoph Münstermann, Düsseldorf © Cornelius Völker, 2016 VG Bild-Kunst Bonn
Cornelius Völker, Blüten, 2016, Öl auf Leinwand, 260 x 200 cm © VG Bild-Kunst Bonn, 2017/ Cornelius Völker, Foto: Christoph Münstermann, Düsseldorf
Cornelius Völker, Zeitungsstapel, 2016, Öl auf Leinwand, 110x220 cm Foto: Christoph Münstermann, Düsseldorf © Cornelius Völker, 2016 VG Bild-Kunst Bonn
Cornelius Völker, Zeitungsstapel, 2016, Öl auf Leinwand, 110 x 220 cm © VG Bild-Kunst Bonn, 2017/ Cornelius Völker, Foto: Christoph Münstermann, Düsseldorf
Cornelius Völker, Hals, 2016, Öl auf Leinwand, 50x50 cm Foto: Christoph Münstermann, Düsseldorf © Cornelius Völker, 2016 VG Bild-Kunst Bonn
Cornelius Völker, Hals, 2016, Öl auf Leinwand, 50 x 50 cm © VG Bild-Kunst Bonn, 2017/ Cornelius Völker, Foto: Christoph Münstermann, Düsseldorf
Cornelius Völker, Knie, 2016, Öl auf Leinwand, 70x50 cm Foto: Christoph Münstermann, Düsseldorf © Cornelius Völker, 2016 VG Bild-Kunst Bonn
Cornelius Völker, Knie, 2016, Öl auf Leinwand, 70 x 50 cm © VG Bild-Kunst Bonn, 2017/ Cornelius Völker, Foto: Christoph Münstermann, Düsseldorf
Cornelius Völker, Wolke, 2015, Öl auf Leinwand, 30x25 cm Foto: Christoph Münstermann, Düsseldorf © Cornelius Völker, 2016 VG Bild-Kunst Bonn
Cornelius Völker, Wolke, 2015, Öl auf Leinwand, 30 x 25 cm © VG Bild-Kunst Bonn, 2017/ Cornelius Völker, Foto: Christoph Münstermann, Düsseldorf
Cornelius Völker, Blatt, 2013, Öl auf Leinwand, 110x75 cm Foto: Christoph Münstermann, Düsseldorf © Cornelius Völker, 2016 VG Bild-Kunst Bonn
Cornelius Völker, Blatt, 2013, Öl auf Leinwand, 110 x 75 cm © VG Bild-Kunst Bonn, 2017/ Cornelius Völker, Foto: Christoph Münstermann, Düsseldorf
Cornelius Völker, Marilyn, 2014, Öl auf Leinwand, 180x300 cm Foto: Cornelius Völker © Cornelius Völker, 2016 VG Bild-Kunst Bonn
Cornelius Völker, Marilyn, 2014, Öl auf Leinwand, 180 x 300 cm © VG Bild-Kunst Bonn, 2017/ Cornelius Völker, Foto: Cornelius Völker
Cornelius Völker, Spiegel, 2016, Öl auf Leinwand, 180x300 cm Foto: Christoph Münstermann, Düsseldorf © Cornelius Völker, 2016 VG Bild-Kunst Bonn
Cornelius Völker, Spiegel, 2016, Öl auf Leinwand, 180 x 300 cm © VG Bild-Kunst Bonn, 2017/ Cornelius Völker, Foto: Christoph Münstermann, Düsseldorf
Cornelius Völker, Bücher, Tassen, 2016, Öl auf Leinwand, 190x140 cm Foto: Christoph Münstermann, Düsseldorf © Cornelius Völker, 2016 VG Bild-Kunst Bonn
Cornelius Völker, Tassen, 2016, Öl auf Leinwand, 190 x 140 cm © VG Bild-Kunst Bonn, 2017/ Cornelius Völker, Foto: Christoph Münstermann, Düsseldorf

Jedes seiner Motive schwebt gleichsam inmitten seiner Undurchdringlichkeit aus Farbe.

Ein Thema der neuesten in Münster gezeigten Arbeiten sind Blüten. Doch Völkers großformatige Stillleben verführen nicht mit klassischer Opulenz oder exotischer Vielfalt, bestechen nicht durch augentäuschende Naturnähe. Seine Blütenblätter sind vielmehr herabgesunken auf eine polierte Oberfläche, einen Spiegel vielleicht: Sie lassen in diffuser Reflexion und fast unbehaglich die Auflösung einer Blütenpracht ahnen, evozieren innere Bilder, gemahnen an die Vergänglichkeit. „Sicherlich weiß Völker ganz genau, dass er damit das ikonografische Terrain der Vanitas des siebzehnten Jahrhunderts betritt, in dem Stillleben die prachtvolle und doch vergängliche Schönheit von Blumen als Symbol für die Vergänglichkeit alles Lebenden einfingen“, betont Gail Kirkpatrick. „Und doch geht es Völker nicht in erster Linie um Symbolismus. Seine Blüten und Blütenblätter erscheinen nicht nur unbeständig in ihrer Rolle als Anspielung auf den Verfall, sondern dienen auch Völkers ureigenem Interesse an der rigorosen Dekonstruktion der Bildproduktion.“² Und so lassen auch seine aktuellen Wolkenbilder in ihrer bewussten Annäherung an die Abstraktion beim Betrachter faszinierende Fragen zurück: Sind es Wolken oder doch reine Farbwolken, die Völker auf die Leinwand bannt? Seine Werke geben keine Hinweise preis, stellen keinen Kontext her, sie wollen nichts erzählen – jedes seiner Motive schwebt gleichsam inmitten seiner Undurchdringlichkeit aus Farbe.

Auf einen Blick

Ausstellung: Cornelius Völker. About Painting
Ort: Kunsthalle Münster, Speicher II | Hafenweg 28 | 48155 Münster
Telefon+49-(0)251/4924191 (Kulturamt) | kulturamt@stadt-muenster.de
Telefon während der Öffnungszeiten: +49-(0)251/6744675
Internet: www.stadt-muenster.de/kunsthalle

Öffnungszeiten

Ausstellungsdauer: Bis 19. Februar 2017
Dienstag bis Freitag 14–19 Uhr, Samstag/ Sonntag 12–18 Uhr

Katalog

Cornelius Völker. About Painting
Gail B. Kirkpatrick (Hrsg.) Ausstellungkatalog Kunsthalle Münster. Mit Texten von Robert Fleck, Gregor Jansen, Gail B. Kirkpatrick, Magdalena Kröner, Hans-Joachim Müller, Anna von Münchhausen, Hardcover, dt./engl., 228 Seiten, 118 Farbabb., 23 Illustrationen, 25 x 30 cm, Schirmer/Mosel, ISBN 9783829607827


¹ Gail B. Kirkpatrick: Fast nichts, beinahe alles, in: Gail B. Kirkpatrick (Hrsg.), Cornelius Völker. About Painting, Ausstellungkatalog Kunsthalle Münster, S. 27–35, S. 31.

² Ibid., S. 35.

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Profile

Cornelius Völker (geb. 1965 in Kronach) lebt in Düsseldorf und New York. Er hat von 1989 bis 1995 an der Kunstakademie studiert; seit 2005 ist er Professor für Malerei an der Kunstakademie Münster. Mit Einzelausstellungen war er u.a. in der Kunsthalle Emden (2015), im Von der Heydt-Museum Wuppertal (2012), Mönchehaus Museum Goslar (2011), Wilhelm-Hack-Museum Ludwigshafen (2011) und im Museum Villa Stuck in München (2011) vertreten.

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