Anthonis van Dyck in der Alten Pinakothek
Er wurde in ganz Europa für seine Porträts von Fürsten, Feldherren, Künstlern und Schönheiten seiner Zeit gefeiert: Anthonis van Dyck (1599–1641) bannte sie alle unvergleichlich lebendig und repräsentativ ins Bild.
Bis zum 2. Februar 2020 feiert die Alte Pinakothek in München den Maler mit einer Ausstellung, die dem Besucher einen Künstler präsentiert, der auf der Suche war – im Ringen mit der eigenen Kreativität und den künstlerischen Zielen. Denn van Dycks Weg zum Ruhm war nicht einfach: Seine künstlerischen Anfänge standen im Zeichen des berühmten Peter Paul Rubens, dem gleichermaßen bewunderten wie fast übermächtigen Vorbild, in dessen Werkstatt er in seinen Anfängen arbeitete und dessen Einflüsse in den frühen Historienbildern mehr als deutlich werden. Zwar war van Dyck, geboren in Antwerpen, bereits seit 1618 als Meister in der Lukasgilde registriert und somit durchaus in der Lage, sich selbständig zu machen, doch zog er es offenbar zunächst vor, in Rubens‘ gut organisierter Werkstatt zu arbeiten, sich gleichzeitig aber auch unabhängigen Werken zu widmen.
Erst unter dem Einfluss der italienischen Malerei fand van Dyck seinen eigenen Weg: 1621 reiste er nach Italien, wo er bis 1627 blieb. Er lebte hauptsächlich in Genua, studierte und kopierte die italienische Malerei, und vor allem Tizian und Tintoretto wurden als Vorbilder für seine Malerei bestimmend. In Genua schuf er vor allem Adelsporträts in seinem eleganten und unverkennbaren Stil. Charakteristisch für van Dyck ist die virtuose Wiedergabe von Materialien – kühlem Satin, knisternder Seide, filigraner Spitze und üppigem Samt. Als er nach Antwerpen zurückkehrte, war er berühmt: 1630 wurde er zum Hofmaler ernannt, 1632 folgte er dem Ruf an den Hof des englischen Königs Karl I. und siedelte endgültig nach England über.
Die intensive Auseinandersetzung mit seinen künstlerischen Vorbildern führte letztlich von der Historien- zur Porträtmalerei, mit der van Dyck zu einem der bekanntesten und gefragtesten Maler seiner Zeit aufstieg. Mit seinen Porträts schuf er einen neuen Typus, der sich durch sensible Beobachtung und feines Kolorit auszeichnet und wurde so unter anderem wegweisend für die englische Malerei des 18. Jahrhunderts. Der hohen Nachfrage begegnete er mit effizienten Produktionsmethoden und einer arbeitsteilig organisierten Werkstatt, und so tritt er nicht nur als Künstler, sondern auch als Unternehmer in Erscheinung.
Die in der Münchner Ausstellung präsentierten Einblicke in diese Künstlerpersönlichkeit beruhen auf den Ergebnissen eines mehrjährigen Forschungsprojekts zum Münchner van Dyck-Bestand, das der Ausstellung vorausging. Ziel des Projektes war es, zu einer genaueren zeitlichen Einordnung der Gemälde zu kommen, die Entwicklung der spezifischen künstlerischen Handschrift nachzuvollziehen und daraus Kriterien zur Unterscheidung von eigenhändigen Werken und denen der Werkstatt abzuleiten. Anhand von Röntgenaufnahmen und Infrarotreflektogrammen lässt sich insbesondere an den frühen Historiengemälden nachvollziehen, wie van Dyck Kompositionen entwickelte, wieder verwarf und überarbeitete, bis das Ergebnis seinen Vorstellungen entsprach. Die Erkenntnisse über die Bildgenese und die Arbeitsmethoden ermöglichten zugleich einen Einblick in eine der produktivsten Künstlerwerkstätten des 17. Jahrhunderts.
Mit rund 100 Exponaten, darunter zahlreichen Leihgaben von Museen und Privatsammlungen in Europa und den USA, zeichnet die Ausstellung die künstlerische Entwicklung von van Dyck nach. Die erste Sektion ist den früh entstandenen Werken gewidmet. Es handelt sich überwiegend um Historiengemälde, die noch den Einfluss von Rubens zeigen. Kennzeichnend für diese Schaffensphase ist die komplexe Werkgenese, die in der Ausstellung auch durch Zeichnungen und Skizzen anschaulich wird.
Die nach dem Italienaufenthalt entstandenen Werke stehen im Mittelpunkt der zweiten Sektion: Vor allem die Mariendarstellungen reflektieren die künstlerischen Impulse, die van Dyck von Tizian empfangen hatte. Die zahlreichen Bildnisse aus dieser Zeit markieren jedoch auch eine Neuorientierung in seinem künstlerischen Schaffen. Seine Porträts kennzeichnen sensible Studien der Persönlichkeit, inszeniert mit fast sinnlich wahrnehmbaren Stoffen und repräsentativem Dekor. Dies belegen auch die in der Münchner Sammlung in eindrucksvollen Beispielen vertretenen Künstlerbildnisse. Ihnen ist die dritte Sektion der Ausstellung gewidmet.
Die zehn Grisailleskizzen aus dem Münchner Bestand, die mit dem monumentalen Projekt der „Ikonographie“ in Verbindung stehen, eröffnen die vierte Sektion: Sie reflektiert die Arbeitsprozesse innerhalb der Werkstatt von den eigenhändigen Vorlagen van Dycks bis zur abschließenden Ausführung im Kupferstich oder in der Radierung. Ebenso wie die Reproduktionsgrafik hatten auch die zahlreichen, von besonders qualifizierten Werkstattmitarbeitern angefertigten Repliken einen entscheidenden Anteil an der Verbreitung von van Dycks Œuvre, steigerten so seinen Ruhm und sicherten sein künstlerisches Nachwirken.
Ausstellung: Van Dyck
Zeit: bis 2. Februar 2020
Ort: Alte Pinakothek
Barer Straße 27
80333 München
Van Dyck
Gemälde von Anthonis van Dyck
Hg. Mirjam Neumeister für die Bayerischen Staatsgemäldesammlungen
Beiträge von B.Maaz, M.Neumeister, E.Ortner, J.Schmidt, J.Thoma sowie S.Hoffmann, F.P.Huber, P.Klein, A.Obermeier, H.Stege, J.Wadum, L.Zieke
420 Seiten, 495 Abbildungen in Farbe, 22 x 28,5 cm, gebunden, HIRMER, ISBN: 978-3-7774-3336-3, 49,90 €
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