Ausstellung

Goldene Zeiten

„El Siglo de Oro – Die Ära
Velázquez“ in Berlin

El Siglo de Oro – das goldene Zeitalter der spanischen Kunst – zählt zu den bedeutendsten wie populärsten Kapiteln der europäischen Kulturgeschichte. Erstmals kann in diesem Sommer in Berlin die faszinierende Vielfalt der Malerei und Skulptur des 17. Jahrhunderts auch außerhalb Spaniens umfassend erlebt werden – mit über 150 Meisterwerken unter anderem von Velázquez, El Greco, Francisco de Zurbarán und Bartolomé Esteban Murillo. In der Gemäldegalerie der Staatlichen Museen zu Berlin, die eine der bedeutendsten Sammlungen spanischer Gemälde in Deutschland besitzt, ist bis zum 30. Oktober 2016 die groß angelegte Sonderausstellung „El Siglo de Oro. Die Ära Verlázquez“ zu sehen, die dank zahlreicher internationaler Leihgaben Fülle und Reichtum der spanischen Kunst des 17. Jahrhunderts anschaulich macht. Die Schau steht unter der gemeinsamen Schirmherrschaft Seiner Majestät Felipe VI. König von Spanien und Bundespräsident Joachim Gauck und entstand in enger Kooperation mit der Kunsthalle München.

Am Beispiel der wichtigsten Kunstregionen Spaniens – Toledo, Valencia, Sevilla und Madrid – zeichnet die Ausstellung den historischen Wandel eines Landes nach, dessen Kunstproduktion untrennbar mit den politischen und gesellschaftlichen Umwälzungen des 17. Jahrhunderts verbunden war. Ausgerechnet in jenem Jahrhundert, in dem das zuvor mächtigste Land Europas zusehends seine politische Hegemonie einbüßte, erreichte die spanische Kunst ihren Höhepunkt: Es entwickelte sich eine eigenständige Bildsprache und Ikonografie, die eng mit der zeitgenössischen Realität und den sie bestimmenden Mächten – der Kirche und dem Adel mit dem König an seiner Spitze – zusammenhing. Beide nutzten die Kunst als propagandistisches Instrument zur Vortäuschung vermeintlicher Stärke und Stabilität.

Der erste Teil der Ausstellung stellt die wichtigsten spanischen Kunstzentren im 17. Jahrhundert vor: So sorgte in Madrid die dauerhafte Etablierung des Hofes für ein kontinuierliches Wachstum der Bevölkerung und eine blühende Wirtschaft – Faktoren, die eine stetig steigende Anziehungskraft für Künstler begünstigten, wie die Werke von Vicente Carducho (1576–1638) und Eugenio Cajés (1574–1634) verdeutlichen. Die Kunst der Region Valencia war hingegen von der Dominanz kirchlicher Auftraggeber geprägt: Die geografische Distanz zu Madrid ermöglichte die Herausbildung einer selbstständigen Darstellungsweise, die durch naturalistische Unmittelbarkeit gekennzeichnet war. Dieser Aspekt ist besonders in den Gemälden von Francisco Ribalta (1565–1628) und Jusepe de Ribera (1591–1652) zu beobachten.

Toledo wiederum nimmt aufgrund der Tätigkeit der höchst individuellen Künstlerpersönlichkeit El Greco eine Sonderstellung ein. Der aus Kreta stammende Maler (1541–1614) ist mit Hauptwerken wie „Der Heilige Martin und der Bettler“ aus der National Gallery of Art in Washington vertreten. Der künstlerische Mittelpunkt Andalusiens schließlich war das reiche und kosmopolitische Sevilla, wo die katholische Kirche als wichtigster Auftraggeber fungierte; darüber hinaus war Sevilla das Produktions- und Exportzentrum religiöser Bilder für Amerika. Die Ausstellung rückt mit Francisco Pacheco (1564–1644) und Juan de Roelas (1570-1625) zwei Künstler in das Zentrum, die für die großen Meister der nachfolgenden Generationen richtungsweisend waren.

Mit Werken von Velázquez, Zurbarán und Ribera verdeutlicht der zweite Teil der Ausstellung den eklatanten Gegensatz zwischen den Exzessen der politischen wie religiösen Machteliten und der sozialen und ökonomischen Realität nach dem Zusammenbruch des amerikanischen Marktes und dem Einbruch der Pest. Philipp IV. und sein Günstling, der Conde-Duque de Olivares, verwandelten die Kunst zum wichtigsten Werkzeug ihrer politischen Propaganda. Allein die enorme Anzahl der von ihnen geförderten künstlerischen Initiativen etablierte Madrid endgültig als Kunstzentrum Spaniens. Der 1599 in Sevilla geborene und 1622 nach Madrid berufene Diego Rodríguez de Silva y Velázquez entwickelt sich in dieser Zeit zum herausragenden Repräsentanten des Hofes. War die vorhergehende Epoche noch von einer großen regionalen Diversität gekennzeichnet, fördern die Interessen der Kirche nun eine Konzentration auf Madrid und Sevilla – letztere übte als bedeutendste Stadt Andalusiens weiterhin große Anziehungskraft auf Künstler aus. Besonderes Augenmerk legt dieser Bereich der Schau auf die in Madrid und Sevilla tätigen Francisco de Zurbarán (1598–1664) und Alonso Cano (1601–1667).

Der dritte Ausstellungsteil verdeutlicht schließlich die Fokussierung der künstlerischen Aktivität auf Madrid als Folge des demografischen wie ökonomischen Wandel Spaniens: Gegen Ende des 17. Jahrhunderts zählte die Stadt zu den größten Metropolen Europas, während andere Zentren des Landes einen andauernden Niedergang erfuhren, was sich auch auf die Unterstützung anspruchsvoller künstlerischer Projekte negativ auswirkte. Immer deutlicher werden Tendenzen der höfischen Kunst, den Zerfall des Imperiums und die Instrumentalisierung der Künste durch die gegenreformatorische Kirche zu verschleiern: Große Meister wie Velázquez oder Bartolomé Esteban Murillo (1618–1682) zeigen sich zutiefst beeindruckt von der sie umgebenden Realität und kultivieren eine neuartige Genremalerei.

Gezeigt werden u.a. Velázquez‘ meisterhafte Darstellung des Kriegsgottes „Mars“ und Murillos „Pastetenesser.“ Ein zentraler Aspekt der Ausstellung kommt der vergleichenden Betrachtung der Malerei und der bislang nur selten beachteten Bildhauerkunst des Siglo de Oro zu. Zu den Exponaten der Ausstellung zählt mit der aus den Beständen der Skulpturensammlung und des Museums für Byzantinische Kunst stammenden „Mater Dolorosa“ von Pedro Roldán (1624–1699) die bedeutendste spanische Skulptur des 17. Jahrhunderts, die sich in einer deutschen Sammlung befindet. Eine der spektakulärsten Leihgaben der Ausstellung – Gregorio Fernández‘ monumentale polychromierte Holz-Skulpturengruppe der Passion Christi (nach 1610) – wird noch heute in der Prozession am Karfreitag durch die Straßen der spanischen Stadt Valladolid geführt. In der Gemäldegalerie ist sie erstmals überhaupt in Deutschland zu sehen.

Neben der umfassenden Vielfalt an Meisterwerken aus Malerei und Bildhauerei kann erstmals auch das zeichnerische Werk von großen Meistern wie Ribera, Cano und Murillo aus der Sammlung des Kupferstichkabinetts – Staatliche Museen zu Berlin von der Öffentlichkeit entdeckt werden.

In München wird die Ausstellung „Spaniens goldene Zeit. Die Ära Velázquez in Malerei und Skulptur“ vom 25. November 2016 bis zum 26. März 2017 in der Kunsthalle der Hypo-Kulturstiftung, Theatinerstraße 8, 80333 München zu sehen sein, www.kunsthalle-muc.de.

Auf einen Blick:

Ausstellung:
El Siglo de Oro – Die Ära Velázquez
Ort: Gemäldegalerie der Staatlichen Museen zu Berlin, Matthäikirchplatz, 10785 Berlin
Zeit: bis 30. Oktober 2016
Internet: www.el-siglo-de-oro.de

Ausstellung:
Spaniens goldene Zeit. Die Ära Velázquez in Malerei und Skulptur
Ort: Kunsthalle der Hypo-Kulturstiftung, Theatinerstraße 8, 80333 München
Zeit: 25. November 2016 bis 26. März 2017
Internet: www.kunsthalle-muc.de

El Siglo de Oro. Die Ära Velázquez: Katalog-Cover Hirmer Verlag, München, ca. 336 Seiten, ca. 280 Abbildungen in Farbe, 24 x 29 cm, gebunden,ISBN: 978-3-7774-2478-1, Buchhandelspreis: 49,90 €,
Katalog:
Spaniens goldene Zeit
Die Ära Velázquez in Malerei und Skulptur
Staatliche Museen zu Berlin, Kunsthalle München
336 Seiten, 206 Abb. in Farbe, geb., 24 x 29 cm, Hirmer
ISBN: 9783777424781

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Die Gemäldegalerie der Staatlichen Museen zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz besitzt eine der weltweit bedeutendsten Sammlungen europäischer Malerei vom 13. bis zum 18. Jahrhundert. Meisterwerke aus allen kunsthistorischen Epochen, darunter Gemälde von Jan van Eyck, Pieter Bruegel, Albrecht Dürer, Raffael, Tizian, Caravaggio, Peter Paul Rubens, Rembrandt und Jan Vermeer van Delft sind hier ausgestellt. Vor allem die deutsche und italienische Malerei des 13. bis 16. sowie die niederländische Malerei des 15. bis 17. Jahrhunderts lassen sich hier ausgezeichnet bewundern und studieren. Ihren Auftritt haben die Gemälde der Sammlung seit 1998 am Kulturforum.

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