Berliner Ausstellung zeigt Donatello als wegweisend für seine Epoche
In seinen achtzig Lebensjahren hat er die Kunst revolutioniert: Der Bildhauer Donatello (um 1386–1466) ist einer der bemerkenswertesten Künstler der Renaissance. In seinen Werken verbindet sich die mittelalterliche Tradition mit einer neuen, wissensorientierten Weltanschauung, die von der Antike inspiriert war. Um deren Wiederbelebung bemühte sich eine Gruppe von Florentiner Gelehrten, die Humanisten. Donatello war einer der wichtigsten Protagonisten dieser Epoche, in der Fortschritt auch bedeutete, zurückzuschauen.
In einer einmaligen Kooperation der Staatlichen Museen zu Berlin mit der Fondazione Palazzo Strozzi und den Musei del Bargello in Florenz und dem Victoria & Albert Museum in London wird Donatello nun erstmals in der Gemäldegalerie Berlin eine eigene Ausstellung in Deutschland gewidmet. Gezeigt werden bis zum 8. Januar 2023 rund 90 Arbeiten, darunter zahlreiche Hauptwerke, die noch nie zusammen ausgestellt wurden. Damit eröffnet sich ein Panorama, das eindrucksvoll zeigt: Die Geschichte Donatellos ist zugleich eine Geschichte der Renaissance.
Donatello, geboren um 1386 als Donato di Niccolò di Betto Bardi in Florenz, war ein vielseitiger Neuerer, der unermüdlich mit unterschiedlichen Materialien, neuen Techniken und innovativen ästhetischen Ausdrucksmöglichkeiten experimentierte. Er übertrug die mithilfe von Linien und Fluchtpunkten konstruierte Perspektive auf das Relief und bearbeitete neben Marmor und Bronze auch Terrakotta und Stuck. Diese Materialien wurden seit der Antike kaum verwendet und erlangten in der Renaissance neue Beliebtheit. Zahlreiche Meisterwerke zeugen von Donatellos außergewöhnlicher Produktivität und Vorstellungskraft und sind Meilensteine der italienischen Renaissancekunst.
1403 arbeitete Donatello als Siebzehnjähriger bereits in der Werkstatt des Florentiner Goldschmieds Lorenzo Ghiberti. Dort war man mit der Fertigung der Bronzetüren des Florentiner Baptisteriums beschäftigt. Hier wurden auch die ersten Madonnenreliefs in einem Material geschaffen, das seit der Antike nicht verwendet worden war: in Ton. Der junge Assistent machte zielstrebig Karriere, wurde Marmorbildhauer an der Florentiner Dombauhütte und schuf mit dem monumentalen, noch deutlich idealisierten David sein erstes Meisterwerk. 1407, mit 21 Jahren, verließ Donatello die Ghiberti-Werkstatt und freundete sich mit Filippo Brunelleschi an, der ebenfalls von Haus aus Goldschmied war. Die beiden reisten nach Rom, um die Kunst und Architektur der Antike zu studieren. Brunelleschi avancierte schließlich zum Architekten, und Donatello begann, in seinen Flachreliefs Elemente antiker Architektur darzustellen. Auf Grundlage mathematischer Kenntnisse entwickelten die beiden Künstler mit der Linearperspektive ein Verfahren, das die überzeugende perspektivische Darstellung eines Raums auf einer zweidimensionalen Fläche ermöglichte. Donatello selbst verwendete sie in seinen extrem flachen Marmorreliefs.
Die Wiederentdeckung der Antike vollzog sich auch in einem ihrer beliebtesten Motive, das den Künstlern große Freiheiten gewährte: Die nackten und geflügelten Kinder, die häufig auf antiken Sarkophagen dargestellt wurden, tauchen als so genannte Spiritelli („kleine Geister“) ab 1420 in den Schöpfungen Donatellos auf und erobern lebhaft, tanzend und singend seine Werke. In Berlin werden Teile der Außenkanzel des Doms von Prato gezeigt, für die der Künstler seine Spiritelli zu einem lebendigen Reigen verband.
Stetig suchte Donatello nach der größtmöglichen Lebensnähe seiner Skulpturen und verlieh ihnen gewissermaßen eine psychologische Dimension: Seine Gesichter von Heiligen und Propheten künden von Inbrunst, Unruhe und Innerlichkeit. Es sind „Charakterköpfe“ und eher Sinnbilder der künstlerischen Vorstellungskraft als Spiegelbilder realer Persönlichkeiten. Donatellos unbändiger Erfindungsreichtum zeigt sich insbesondere in seinen Darstellungen der Madonna mit dem Kind, die er vorwiegend für den privaten Bereich fertigte: Häufig war im 15. Jahrhundert das Schlafzimmer einer Familie mit einer Maria mit Kind geschmückt – sie sollte die Hausherrin vor den Risiken der Geburt und ihre Kinder vor Gefahren in der frühen Kindheit schützen. Sein Marmorrelief der so genannten Pazzi-Madonna von etwa 1422 (Staatliche Museen zu Berlin, Skulpturensammlung) zählt in seiner Intimität, Zärtlichkeit und Emotionalität zu den Meisterwerken, die bereits von den Zeitgenossen bewundert und rezipiert wurden.
Ende des Jahres 1443 ging Donatello nach Padua. Seine dortigen Aufträge waren von seinerzeit beispiellosem Ausmaß: zunächst ein großes Kruzifix, dann ein monumentaler Altar für die Basilika des Hl. Antonius. Die Bronzewerke des Hochaltars sind Kernstück der Berliner Ausstellung und hier erstmals außerhalb von Padua zu sehen. Parallel dazu errichtete Donatello vor der Basilika ein großes bronzenes Reiterdenkmal für den Condottiere Erasmo da Narni, genannt Il Gattamelata. 1454 kehrte er nach Florenz zurück und arbeitete vorrangig für die Familie der Medici, zwischen 1457 und 1561 arbeitete er auch in Siena. In seinem späten Werk nehmen emotional aufgeladene Themen großen Raum ein; der mittlerweile betagte Bildhauer ließ schließlich seine Werke immer häufiger unvollendet. Am 13. Dezember 1466 starb Donatello in Florenz.
Die weitläufige Wandelhalle der Berliner Gemäldegalerie ist ein besonders geeigneter Ort, um die Schöpfungen Donatellos zur Geltung zu bringen. Neben Werken der Berliner Skulpturensammlung treten zahlreiche herausragende Leihgaben in Dialog mit Gemälden von Zeitgenossen wie Masaccio, Fra Filippo Lippi und Andrea Mantegna sowie Skulpturen, Zeichnungen und Abgüssen aus den Beständen der Antikensammlung, des Kupferstichkabinetts und der Gipsformerei. Auf diese Weise wird erfahrbar, wie Donatello und die führenden Künstler seiner Zeit sich gegenseitig inspirierten. Den Besucher*innen bietet sich die Möglichkeit, Donatellos bemerkenswerten Erfindungsreichtum ebenso wie die Vielfalt der Berliner Sammlungen zu entdecken. Parallel werden im Donatello-Saal des Bode-Museums einige jüngst aufwändig restaurierte Werke der Skulpturensammlung aus dem Umfeld des Meisters präsentiert.
Die Ausstellung ist Ergebnis und Höhepunkt einer zehnjährigen Forschungs- und Restaurierungsarbeit der Staatlichen Museen zu Berlin. Kuratiert wurde sie von Neville Rowley, Kurator für frühe italienische Kunst an der Gemäldegalerie und der Skulpturensammlung, in Zusammenarbeit mit Francesco Caglioti (Scuola Normale Superiore di Pisa), Laura Cavazzini und Aldo Galli (beide Università degli Studi di Trento).
Auf einen Blick
Ausstellung: „Donatello. Erfinder der Renaissance“
Bis 8. Januar 2023
Gemäldegalerie, Kulturforum
Matthäikirchplatz, 10785 Berlin
Website: www.smb.museum