Carsten Westphal malt die Urkräfte der Natur
Fasziniert von den unterschiedlichen Wüsten unseres Planeten, findet der Künstler Carsten Westphal auf heißen Sanddünen, kargen Geröllfeldern, ausgetrockneten Salzseen oder steilen Vulkanhängen ideale Bedingungen für seine Kunst.
„Wüste“ – so bezeichnet man die (nahezu) vegetationslosen Gebiete unserer Erde. In diesen unwirtlichen Gegenden fühlt sich Carsten Westphal zuhause. „Für mich ist die Wüste eine Offenbarung. Sie führt mich zurück zu den elementaren Dingen des Lebens. Die Wüste schärft meine Sinne“, beschreibt der Maler den Zauber, den die Einöden auf ihn ausüben. Gleichzeitig fühlt er sich von den vielschichtigen Strukturen magisch angezogen, die in jeder Wüstenlandschaft anders sind. Um sie in seinen Bildern einfangen zu können, ist dem Künstler kein Weg zu weit. Mit dem Jeep, dem Kamel oder zu Fuß sucht er nach dem idealen Ort zum Malen und stapft bei Temperaturen um die 50 °C mit schwerem Gepäck allein durch den heißen Sand. „Die Wüste ist mein Atelier. Sie inspiriert mich zu bislang Ungemaltem und macht meine Gedanken klar. Hier erreiche ich den Idealzustand, den ich beim Arbeitsprozess anstrebe. In einer Umgebung, in der alles Überflüssige fehlt, fällt es mir leicht, der Intuition Raum zu geben.
„Es gibt keine Landschaft auf unserer Erde, für die ich mehr Sehnsucht und Leidenschaft empfinde, die mich zugleich mehr fordert, als die Wüste. Es ist die Leere, die Weite, die Stille, die Abwesenheit von Ablenkung, welche die idealen Bedingungen für die Konzentration auf das Wesentliche schafft.“
Um sein „Nomadenatelier“ an geeigneter Stelle aufbauen zu können, hat Carsten Westphal immer viel Wasser, ausreichend Nahrung, Pigmente, Pinsel, eine Kamera, ein Tagebuch sowie einen Köcher voll eingerollter Leinwände dabei. Eine Decke und ein Zelt zum Übernachten spenden tagsüber Schatten und schützen vor Wind. Ist der geeignete Ort zum Malen gefunden, wird die grundierte Leinwand auf dem Boden platziert. Dann mischt Carsten Westphal aus Pigmenten, Acrylbinder, Wasser und dem Material der Wüsten die Farben. „Selbst angemischte Farben haben eine natürliche Anmutung und passen gut zu meinen Arbeiten. Außerdem kann ich selbst bestimmen, ob die Konsistenz grob und pastos ausfällt oder ich die Farbe als dünnflüssigen Schleier auftrage.“
Für die Farbwahl ist die Umgebung prägend, in der er gerade malt. In der Sahara etwa bringt Carsten Westphal neben die warmen rötlich-orangefarbenen Töne der Wüstensande auch Weiß auf oder setzt komplementäre Blautöne auf die Leinwand, wie er sie im wolkenlosen Wüstenhimmel oder in der Indigo-gefärbten Kleidung der Tuareg findet. Die entsprechenden Pigmente hat er entweder im Gepäck oder er kauft sie vor Ort auf Oasenmärkten.
In seinen Arbeiten sucht Carsten Westphal das Verborgene. Er spürt dem Prinzip nach, das allem innewohnt, was sich bewegt; dem Unsichtbaren, das sich für kurze Momente in Mustern und Strukturen zeigt: „Ich suche nach der Urkraft, die unseren Planeten formt, die Bewegung erzeugt und damit die Voraussetzung schafft für Werden und Vergehen, für Veränderung.“ Wenn er im heißen Wüstensand mit dem Pinsel Farben aufträgt, die unter der sengenden Sonne in der Struktur erstarren, und der Wind feinen Sand auf die Leinwand bläst, manifestiert der Maler die elementaren Urkräfte in seinen Bildern. Am liebsten malt er in Sandstürmen, neuerdings auch mit Feuer, um Spuren zu hinterlassen.
Etwa drei Wüstenreisen pro Jahr unternimmt Carsten Westphal, auf die er sich lange akribisch vorbereitet. Wohin sie ihn führen, hängt vom verfügbaren Budget, von den Landschaftsformen, von den Transportmöglichkeiten und von den Gegebenheiten vor Ort ab. Gebiete, in denen er mit Entführungen rechnen muss oder Länder, in denen Krieg herrscht, schließt er bei der Planung aus. Vielleicht deshalb hat er in den fast 15 Jahren, in denen er nun schon die Wüsten bereist, nur gute Erfahrungen gemacht. „Außerdem“, stellt er fest, „ist die Hilfsbereitschaft bei allen Wüstenbewohnern oberstes Gebot. Die Wüste verzeiht keine Fehler.“
Ausgangs- und Endpunkt jeder Reise ist Hamburg. Hier ist Carsten Westphal aufgewachsen, hier hat Peter Lübbers ihm das Verständnis für die Malerei nahegebracht und hier hat er aus dem Studium der Klassischen Archäologie und der Philosophie das Hinterfragende mitgenommen, das Forschende.
Wenn er nach Wochen in die Hansestadt zurückkehrt, hat der Künstler nicht nur bemalte Leinwände im Gepäck: „In der Wüste habe ich meinen Akku wieder aufgeladen.“ Im heimatlichen Atelier bekommen seine bis zu 2 x 2 m großen Leinwände dann ihren letzten Schliff. Die schweren Malgründe werden auf stabile Keilrahmen gespannt und es fließt noch die ein oder andere Farbschicht. Denn „natürlich leiden die Bilder in der Wüste gemeinsam mit mir unter der unbarmherzigen Sonneneinstrahlung, in Sandstürmen und in den teils eisigen Nächten. Auch beim Transport geht einiges an Material verloren, das sich aber in den Köchern ansammelt. Außerdem kann ich Farbeindrücke, die ich aufgrund fehlender Pigmente in der Wüste nicht realisieren konnte, nach der Reise im Atelier aufbringen.“ Abschließend erhalten die Bilder die Firnisschicht. Sind die letzten Handgriffe erledigt, spürt Carsten Westphal auch bald schon wieder die Sehnsucht in sich aufkeimen, die nächste Wüste zu besuchen. Seine Lieblingswüste ist die Sahara. Irgendwo in ihren ausgedehnten Flächen und facettenreichen Landschaften wird er immer Station machen. Der Maler ist sich aber auch sicher: „Ich werde alle Wüsten dieser Welt aufsuchen. Früher oder später.“
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