Zu Besuch bei dem Maler Wolfgang Blanke
Wolfgang Blanke malt gegenständlich. Sein bevorzugtes Motiv ist der Mensch, aber auch Landschaften haben einen festen Platz im Repertoire des Künstlers. Es sind spontan umgesetzte Momentaufnahmen, Zeugnisse einer gegenwärtigen Stimmung, die aus der intensiven Beobachtung des Augenblicks während der Auseinandersetzung mit dem Material entstehen.
Wenn Wolfgang Blanke sich in seinem Wiesbadener Atelier an die Staffelei stellt, ist in der Regel nichts vorgegeben oder geplant. Seine mehrschichtige gestische Malerei entwickelt sich erst während der Arbeit, indem er auf das Verhalten des Materials reagiert und sich davon leiten lässt. Der Künstler ist fasziniert davon, aus Rohstoffen wie Pigmenten Farben selbst herzustellen – und die technischen Möglichkeiten auszuloten, die sie bieten:
„Gibt es etwas Packenderes und Wichtigeres beim Malen, als sich mit der Malerei selbst auseinanderzusetzen?“
Dass er eines Tages gestisch und spontan im Dialog mit seinen Malmaterialien arbeiten würde, war nicht absehbar, als er Anfang der 1970er-Jahre das Kunststudium an der Karlsruher Akademie aufnahm, um das Malen in fotorealistischer Manier mit glatter Oberfläche ohne sichtbaren Pinselstrich zu erlernen. Bei den Neuen Wilden, die hier gerade aufbegehrten, um mit obsessiv ausgeführten, materialintensiven Werken gegen den vorherrschenden Kunstbegriff zu rebellieren, eckte er mit seinen Verweisen auf die Malerei der Surrealisten an – und wechselte nach einem Semester zum Fachbereich für Kunst- und Werkerziehung an der Universität Mainz.
Bis Anfang der 1990er-Jahre malte Wolfgang Blanke provokante Bilder im Stil Gottfried Helnweins, dann wurde ihm die naturalistisch-akribische Malweise zu langweilig. „Ich erkannte, dass die Jungen Wilden so schlecht gar nicht sind,“ sagt Wolfgang Blanke rückblickend. Besonders die zumeist in Wachsemulsion ausgeführte Lasurmalerei von Klaus Arnold, damals Rektor der Karlsruher Akademie, faszinierte ihn. Eine Zeitlang kopierte er ihn nahezu und erlernte dabei den Umgang mit Pigmenten und Emulsionen sowie einen gestischen Pinselduktus.
Seither stellt Wolfgang Blanke seine Farben selber her. Egal, ob er Pigmente mit Ei, Gummen, Harz, Leim, Öl oder Wachs aufbereitet oder sie mit wässrigen Bindemitteln zu Emulsionen mixt, „das Arbeiten mit Pigmenten und Bindemitteln erlaubt es mir, auf eine große Anzahl von Techniken zuzugreifen, die sich alle verschieden anfühlen“, erklärt er.
Besonders schätzt der Maler die Emulsion, um die Vorteile der wässrigen schnell trocknenden mit den buttrigen öligen Bindemitteln zu vereinen. Sie gibt ihm zusätzlich die Freiheit, die Transparenz der Farbe zu steuern, ermöglicht ihm, eine Spannung im Figur-Grund-Verhältnis zu schaffen und – aufgrund der gestischen Malerei – die Ergänzungstätigkeit des Betrachters zu aktivieren. „Man spürt, ob ein Bild gelungen ist. Dass der Pinselduktus erkennbar ist, ist reizvoll und macht eine gute Malerei aus. Oder anders ausgedrückt: Wenn die Interdependenz zwischen Material, Werkzeug und Verfahren harmoniert, spürt das auch der Laie. Gute Malerei zeichnet sich durch einen gut sitzenden Pinselstrich aus – oder besser: durch möglichst viele davon. Langes elastisches Pinselhaar etwa, wie man es für die Aquarellmalerei einsetzt, geht nur mit einer sehr wässrigen Farbviskosität zusammen, die auf einen eher vertikal positionierten Malgrund aufgebracht wird.“
Wolfgang Blanke ist so tief in die Materie vorgedrungen, dass er die chemischen und physikalischen Prozesse beim Herstellen von Farben und bei ihrer Verwendung erklären kann. Dennoch überrascht ihn das Zusammenspiel der einzelnen Komponenten immer wieder und zeigt ihm neue künstlerische Wege und Verfahren auf. Dieser sinnliche Umgang mit dem Material, das Unberechenbare, das Experiment ist es, was für Wolfgang Blanke die Kunst ausmacht.
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