Bruegel neu entdecken im Kunsthistorischen Museum Wien
Er war einer der begehrtesten Künstler seiner Zeit, und seine Werke erzielten schon damals ungewöhnlich hohe Preise: Pieter Bruegel der Ältere (1525/30–1569) gilt als einer der bedeutendsten niederländischen Maler des 16. Jahrhunderts. Aus Anlass seines 450. Todestages im Jahr 2019 eröffnet das Kunsthistorische Museum Wien Anfang Oktober 2018 die weltweit erste große monografische Ausstellung zu seinem Schaffen.
Nur knapp über vierzig Gemälde und sechzig Grafiken haben sich von der Hand des Meisters erhalten. Mit 12 Tafelbildern besitzt das Kunsthistorische Museum Wien dabei die größte Sammlung an Bruegel-Gemälden überhaupt. Dies liegt darin begründet, dass Habsburger Sammler schon im 16. Jahrhundert die Qualität und Originalität der Bildwelten Bruegels zu schätzen wussten und sich bemühten, prestigeträchtige Werke des Künstlers zu erwerben. Bis heute ruft das Œuvre Pieter Bruegels d. Ä. noch vielfältige und kontroverse Deutungen hervor und der Reichtum seiner vielteiligen Bilderwelt sowie seine scharfsinnige Beobachtungsgabe der menschlichen Spezies üben nach wie vor eine besondere Faszination aus.
In Museen und Privatsammlungen zählen die Werke Bruegels zu den kostbarsten und fragilsten Beständen. Die meisten Holztafeln sind bislang noch nie verliehen worden. Mit rund 90 seiner Werke zeigt die Ausstellung in Wien nun zum ersten Mal einen Überblick über das Gesamtwerk: Mit fast 30 Gemälden sowie zahlreichen der erhaltenen Zeichnungen und Grafiken bietet die Schau eine besondere Chance, in die komplexe Bildwelt des Künstlers einzutauchen, seine stilistische Entwicklung und seinen kreativen Schaffensprozess nachzuvollziehen sowie seine Arbeitsmethoden, seinen Bildwitz und seine Erzählgabe kennenzulernen.
Unter den Highlights, die in der Ausstellung zu sehen sein werden, sind etwa der Hafen von Neapel aus der Galleria Doria Pamphilj in Rom, Zwei angekettete Affen aus den staatlichen Museen zu Berlin, der Triumph des Todes aus dem Prado in Madrid, die Dulle Griet aus dem Museum Mayer van den Bergh in Antwerpen, der Turmbau zu Babel aus dem Museum Boijmans van Beuningen in Rotterdam, die Anbetung der Könige im Schnee aus der Sammlung Oskar Reinhart „Am Römerholz“ in Winterthur, die Anbetung der Könige aus der National Gallery in London, die Zeichnungen Die Imker aus den Staatlichen Museen Berlin, und Maler und Kenner aus der Albertina in Wien.
Durch die Kombination einer sowohl chronologischen als auch thematischen Präsentation von Bruegels Kunst soll das Publikum die stilistische Entwicklung und Vielseitigkeit seines Werkes nachvollziehen können. Die großen Galeriesäle werden die Meisterwerke Bruegels zeigen sowie Serien und Gruppen wieder zusammenführen, die über Jahrhunderte getrennt waren, während die daran anschließenden Kabinett räume die Ergebnisse der neuesten umfangreichen Untersuchungen präsentieren und tiefe Einblicke in den Schaffensprozess der Werke ermöglichen. Die Anfänge von Bruegels Karriere als Zeichner und Grafiker sollen ebenso nachvollziehbar sein wie seine Innovationen für die Landschaftsmalerei. Ein weiterer Teil der Schau ist seinen religiösen Werken gewidmet mit einer Fülle an Meisterwerken wie Triumph des Todes und Dulle Griet, die eigens in Hinblick auf die Ausstellung restauriert wurden. Als Besonderheit wird Kreuztragung Christi als größte und im Format unveränderte Tafel Bruegels ohne Rahmen und beidseitig sichtbar ausgestellt, als würden die Besucher dem Maler über die Schulter schauen – so können sie sich von der Fragilität und Beschaffenheit der Holztafel und der Qualität der Malschicht, deren Perfektion auch für den Erhaltungszustand der Bilder über die letzten 450 Jahre eine grundlegende Rolle spielt, direkt überzeugen.
In einem intimeren Raum werden die Gemälde mit Miniatur-Charakter ausgestellt und Bruegels Ausbildung als Miniaturmaler thematisiert, wobei das Zentrum der Präsentation von der einzigartigen Zusammenführung beider Turmbau Gemälde gebildet wird, die einst in der Sammlung Rudolfs II. vereint waren. Eine Auswahl von Objekten aus der Zeit Bruegels, die im Kampf zwischen Fasching und Fasten dargestellt sind, soll die Betrachter dazu animieren, die Detailvielfalt dieses sogenannten Wimmelbildes wahrzunehmen. Die Bedeutung der einzelnen Szenen sowie Bruegels unübertroffene Gabe, die Materialität der Objekte malerisch festzuhalten, wird für den Betrachter so unmittelbar erfahrbar. Die traditionell moralistisch geprägte Interpretation des Gemäldes wird hinterfragt und Bruegels scharfer Blick als Gesellschaftskritiker herausgestellt. Anhand von Winterlandschaft mit Vogelfalle und Bethlehemitischer Kindermord wird die Frage nach Werkstatt praktiken aufgeworfen. Der letzte Saal der Ausstellung ist Bruegels Spätwerk gewidmet, wobei eine differenziertere Sicht auf den ehemals als „Bauern-Bruegel“ bezeichneten Künstler geboten wird. Neben Bauernhochzeit und Bauerntanz wird das legendäre mutmaßliche Vermächtnisgemälde Elster auf dem Galgen präsentiert. Den Abschluss der Schau bildet die Gegenüberstellung von Bauer und Vogeldieb mit den monumentalen Figuren der Zeichnung Die Imker.
Kuratiert wurde die Ausstellung von einem Spezialistenteam: Aus dem Kunsthistorischen Museum Wien Sabine Pénot, Kuratorin für niederländische und holländische Malerei, und Elke Oberthaler, Leiterin der Gemälderestaurierung und der Gemäldegalerie, sowie Manfred Sellink, Direktor Koninklijk Museum voor Schone Kunsten Antwerpen und Professor für Kunstgeschichte an der Universität Ghent (Belgien), und Ron Spronk, Professor für Kunstgeschichte, Queen’s University, Kanada und Hieronymus Bosch-Lehrstuhl an der Radboud Universität, Nijmegen, Niederlande. In die Ausstellung sind maßgeblich die Ergebnisse eines langjährigen Forschungsprojekts eingeflossen, das das Kunsthistorische Museum seit 2012 mit Unterstützung von The Getty Panel Paintings Initiative durchführt und das eine technologische Untersuchung seiner 12 Tafelbilder von Pieter Bruegel d. Ä. umfasst. Wurde in den letzten Jahren das Augenmerk der Forschung vermehrt auf die Bruegel-Dynastie, also die Werke seiner Söhne und der Werkstatt, gerichtet, liegt hier der wissenschaftliche Fokus auf dem Begründer der Dynastie selbst und dessen Schaffensprozess.
Die Kuratoren betonen: „Technologische Analysen, die Aufarbeitung der kunsthistorischen Forschung sowie das Hinterfragen der tradierten Provenienzen der Tafelbilder waren der Ausgangspunkt unseres Vor habens. Das Wiener Bruegel-Projekt trägt mit seinen neuen naturwissenschaftlichen Analysen einen bislang fehlenden, grundlegenden Baustein zur Erforschung des Gründers der Bruegel-Dynastie bei. Zudem werden erstmals die Medien Zeichnung, Grafik, Malerei und Unterzeichnung sowie ihre Bezüge zueinander zusammengeführt, was ebenso einen neuen Schritt in der Forschung zum Gesamtœuvre Pieter Bruegels d. Ä. bedeutet.“ In der Restaurierungswerkstatt der Gemäldegalerie wurden unter anderem Röntgen- und Infrarotaufnahmen, Pigmentanalysen und 3-D-Aufnahmen der Bilder durchgeführt. Die Untersuchungen ergaben etwa, dass unter den Malschichten Zeichnungen liegen, die bisher kaum erforscht sind. Über die Dauer der Ausstellung hinaus wird die Website www.insidebruegel.net erstmals tiefgehende Einblicke in die Gemälde Pieter Bruegels d. Ä. auf Basis der jüngsten technologischen Untersuchungen ermöglichen. Dort wird die Möglichkeit bestehen, den Werken des Meisters in modernster Technik interaktiv zu begegnen, durch die Sammlung zu navigieren und Bruegels Bilderwelt bis ins kleinste Detail zu erforschen.
Auf einen Blick
Austellung: 2. Oktober 2018 bis 13. Januar 2019,
Öffnungszeiten: Täglich geöffnet 10–18 Uhr, Donnerstag bis 21 Uhr
Kontakt:
Kunsthistorisches Museum Wien
Maria-Theresien-Platz
1010 Wien
www.khm.at
www.insidebruegel.net
Publikationen
KATALOG
Bruegel
Die Hand des Meisters
Elke Oberthaler, Sabine Pénot
(Hrsg.), Hardcover m. SU, 304 S.
m. 240 Farbfotos, 24 x 28 cm,
Belser, ISBN 9783763028078
Kommentare sind geschlossen.