Wer schreibt, bleibt. Roman Klonek weiß das und macht sich gerne Notizen. Dass diese nicht aus Worten bestehen, mag das Ergebnis seines Arbeitsprozesses sein. Sein Ideenfundus besteht aus Skizzen, kleinen Variationen von Figuren und Formen, Abstraktionen aus Cartoon und Andersweltlichem. Auch denken sie nicht rückwärtig und erinnernd, sondern sind in ständiger Verwandlung zukünftig ausgerichtet. So könnte man sagen „wer skizziert, der wird“. Was genau aber macht der Düsseldorfer Künstler, wenn er täglich zeichnet, Altes neu erfindet und dann letztlich einen kleinen, selektiven Teil davon zum Holzschnitt erhebt?
Eine Narration in Formen
Roman Klonek wurde 1969 in Polen geboren und verbrachte dort seine frühe Kindheit. Erinnerungen an ratternde Super 8-Cartoons nahm er mit nach Deutschland, wo klassisch-amerikanischer Cartoon, tschechische Animationsfilme und japanische Anime und Manga seinen unverkennbaren Stil geprägt haben. Er entschied sich für das Studium der visuellen Kommunikation und verlangsamte das bewegte Bild in seinem Geiste bereits früh auf dessen druckgrafische Qualität.
Klonek arbeitet im Holzschnitt, genauer gesagt in der Technik des verlorenen Schnittes.
Das Film-Still, ein wiederkehrender Begriff im Wortschatz seiner Kenner und Kritiker, schält er aus den Formenwelten seines Notizbuches heraus. Gerade deshalb mag es sein, dass er sich dem langsamstem Medium der Druckgrafik zuwendete, um diese Entschleunigung noch zu radikalisieren. Klonek arbeitet im Holzschnitt, genauer gesagt in der Technik des verlorenen Schnittes. Der Aufwand, bis seine Ensembles farbig, reduziert und lebendig vor dem Betrachter erscheinen, ist kolossal. Dem unumgänglichen Wandel seiner rastlosen Skizzen konträr, muss er ihre Realisierung nun rückwärts denken. Denn im verlorenen Schnitt geht das Material schnell abhanden. Zunächst als Vorzeichnung auf den Platten festgehalten, entfernt er Schicht für Schicht die Elemente, die jeweils einen Überzug von öliger Druckfarbe erhalten sollen, um Konturen und Felder auf das Blatt abzugeben. Aufgetragen und für jedes Werk wiederholt, darf er also nicht nur spiegelverkehrt denken, sondern auch keine Form aus den Augen verlieren. Einmal abgetragen, gibt es kein Zurück, es gibt nur minimale Möglichkeiten zur Korrektur. Kleine Auflagen sind die Folge und jedes Blatt für sich, dank minimaler Abweichungen, ist im Grunde ein Unikat – ein Statement in einer Zeit, in der Offset-Druck und digitale Medien die visuelle Kommunikation dominieren und auf Replizierbarkeit setzen.
Bitte nähertreten!
Nicht nur die Technik, auch die Bildwelten selbst appellieren an das Gefühl des Verloren-Seins. Wie in einem angenehmen Rausch erfährt man von wilden Tieren, anthropomorphen Mischwesen und unmöglichen Landschaften. Mit Überschriften, Untertiteln und comichaften Sprechblasen vermengt er die Ratlosigkeit mit der Unwirklichkeit des Gesehenen, denn die abgebildeten Sprachen sind für die meisten Europäer nicht lesbar. Japanisch und Russisch haben es ihm aufgrund von Reisen besonders angetan. Merkwürdigkeitsverstärker nennt er die Schriftzüge aus Kanji und kyrillischem Alphabet. Merkwürdig deswegen, weil sie nach stetiger Aufmerksamkeit verlangen, verstärkend wiederum, da sie die Irritation katalysieren. Ihre Zeichenhaftigkeit unterstreicht die inhärente Energie der Fabelwesen und Superschurken, die das Publikum mit Buntfarbigkeit und scheinbarer Harmlosigkeit anziehen. Steht man jedoch erst einmal vor einem Blatt wie „Naruto“, das von fern her wie ein Filmplakat anmutet, und erfasst die eigentliche Handlung der Kreatur – ein Wesen halb Fledermaus/Viertel Mensch/Viertel Gummistiefel – kann von Sicherheit nicht mehr gesprochen werden. Kloneks narrative Formen-Mutanten besitzen Zähne, sie können riesengroß oder winzig sein, erinnern an Naturgewalten geboren in der Petrischale oder haben, wie eben in „Naruto“, ihre eigenen Waffen mitgebracht. Dass viele mit sich oder ihrem eigenen Unglück beschäftigt zu sein scheinen, ist kein Grund zur Entwarnung und eben das Ergebnis eines Skizzenbuches, dessen verworfene Figuren erst recht neugierig machen.
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