„Ich liebe alle Dinge, nicht nur die höherstehenden, sondern auch die unendlich kleinen, den Fingerhut, Sporen, Teller, Vasen (…) Die Knöpfe, die Räder, die kleinen vergessenen Schätze.“
(aus: Pablo Neruda, Ode an die Dinge)
„Ode an die Dinge“ heißt das jüngste Werk von Rosemarie Zacher, eine Installation, die aus lauter kleinen „Mirakel-Bildern“ besteht, die mit ihren Rahmen an Votivbildchen erinnern, sich bei näherer Betrachtung jedoch als Collagen outen. Die meisten von ihnen stellen Personen dar, die Figuren repräsentieren, die mit ihrem Wirken auf eine Erneuerung des Menschenbildes hoffen lassen wie Martin Luther oder Sigmund Freud.
Doch auch die Erwartung an eine neue Systematisierung und Kategorisierung von Flora und Fauna, wie sie sich derzeit in den Wissenschaften anbahnt, ist in dieser Mirakelwand zu finden, die begleitet wird von einem Objekt, das aus Familiendiapositiven der eigenen Kindheit besteht und den Titel „Kugelsichere Weste“ trägt.
Schon diese beiden Werkgruppen zeigen die Vielfalt der Künstlerin Rosemarie Zacher, die Malerin, Zeichnerin, Illustratorin, Bildhauerin, Objektkünstlerin – und dazu noch Kunstpädagogin ist. Sie liebt das variantenreiche Schwingen zwischen den Polaritäten und technischen Möglichkeiten, das es ihr erlaubt, im Schaffensprozess trotz aller Anspannung das Spielerische zu erhalten. Sie arbeitet immer an mehreren Projekten gleichzeitig und kommt sie bei dem einen nicht weiter, wendet sie sich dem nächsten zu und weiß, dass sie irgendwann auch wieder den liegen gelassenen Faden aufgreifen wird. Und so finden auch Techniken wie Collage, Radierung oder keramisches Arbeiten in ihrem Laboratorium fast gleichzeitig statt. Zusammen mit anderen entstehen aber auch immer wieder Auftragsarbeiten, Inszenierungen oder museumspädagogische Ausstellungsgestaltungen.
Der Lebensmittelpunkt der Künstlerin befindet sich in Gauting, wo sie aufwuchs und zur Schule ging, um dann in München an der Ludwig-Maximilian-Universität Kunst zu studieren, genauer Kunstpädagogik, Kunstgeschichte und Betriebswirtschaft. Die Vielfalt im Studium spiegelt sich bis heute in der bereits erwähnten Vielfalt der Kunstäußerungen, bei denen es allerdings auch eine Konstante gibt: In all ihren Werken steht immer der Mensch mit seinen kleinen, meist liebenswürdigen Fehlern im Mittelpunkt.
Sie beobachtet das Verhalten der Menschen im Alltag, aber auch in der Berufs- und Arbeitswelt. Sie verfolgt das politische und kulturelle Geschehen nicht nur im Großen, sondern auch im Kleinen und verarbeitet in ihren Werken außerdem zeitgenössische und literarische Sujets sowie solche der bayerischen Kultur und Geschichte. Das zeigt sich dann in karikaturhaften Illustrationen wie dem Blatt mit dem Titel „Max Emanuel – oben ohne“, in dem sich der bayerische Kurfürst mit zwei Damen in einer Badewanne verlustiert. Zacher zeigt ihn ganz intim, die obligatorische Allongeperücke hängt an einem stummen Diener. Ob sich das „oben ohne“ auf das unbedeckte Haupt bezieht oder auf andere Körperteile lässt die Künstlerin offen.
Das ironische Augenzwinkern findet sich auch in den großformatigen Gemälden, in denen Zacher allgemeinere Themen formuliert wie in „Sind S/sie dabei?“ oder in „Nichts wie heim“. Die Figuren sind dabei nie einem Schönheitswettbewerb entsprungen, sondern demonstrieren in ihrer Körperlichkeit, in der Mimik und Gestik das ungeschminkte Wesen des Menschen.
In ihren Illustrationen zeichnet Zacher häufig konturiert und narrativ die Gegebenheiten. In anderen grafischen Arbeiten verwendet sie Drucktechniken wie Radierung, Monotypie oder die Intagliotypie, die sie mit Collageelementen, Farbstiften oder sogar Acrylfarben überarbeitet. Die scharfe Kontur der Zeichnung fehlt in den großformatigen Gemälden fast völlig. Hier überlagern sich mehrere Schichten aus Acryl auf der Leinwand, scheinen die Bilder zuerst abstrakt. Aus den Farbschichten schälen sich dann im Arbeitsprozess allmählich die Figuren heraus, wobei die Konturen häufig im Skizzenhaften bleiben.
Bei ihren keramischen Arbeiten sind die Fingereindrücke von der Modellierung im Ton häufig noch erkennbar. Sie lassen die bayerischen Könige und Bischöfe, die „Manage Men“ der Wirtschaftswelt und „Weiberleut“ lebendig erscheinen, verweisen aber auch auf den aus Lehm erschaffenen Menschen, wie mehrere Mythen erzählen. Teilweise sparsam patiniert (Bischöfe oder Manage Men), teilweise farbig gefasst (aber nicht glasiert) stellen die Figuren ein Potpourri menschlicher Charaktere dar, in denen das Wiedererkennungspotenzial groß ist.
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