Ausstellung

Künstler-Kommunen im Farbenrausch

„Lieblingsorte – Künstlerkolonien. Von Worpswede bis Hiddensee“: so betitelt das Gustav-Lübcke-Museum in Hamm den umfassenden Überblick, mit dem es sich dem Phänomen der Gründung von Künstlerkolonien im ausgehenden 19. Jahrhundert widmet.

Ausgehend vom französischen Barbizon gründeten sich um 1900 vielerorts Malerkolonien, allein in Deutschland waren es etwa 30. „Durch die Erfindung der Farbtube konnten Maler plötzlich ihre Ateliers verlassen und direkt draußen vor der Natur ihre Bilder in leuchtenden Farben entstehen lassen – das war eine Revolution in der Malerei“, erklärt Kuratorin und Museumsdirektorin Dr. Friederike Daugelat das Phänomen.

Die Freiluftmalerei war eine Absage an die traditionelle Kunstauffassung, denn Landschaft wurde weder an den Hochschulen als eigenständiges Sujet unterrichtet noch in den offiziellen Salons ausgestellt. Gleichzeitig suchten die Künstler als Reaktion auf die um sich greifende Industrialisierung in den Städten den scheinbar noch ungebrochenen Zusammenhang zwischen Mensch und Natur. Sie zogen aufs Land, um in der Gemeinschaft Gleichgesinnter zu leben und zu arbeiten. Ihre Erfahrungen waren so beglückend, dass die Künstlerkolonien bald zu Lieblingsorten der Maler wurden, wo sie die Sommer verbrachten oder sich sogar dauerhaft niederließen.

Erstmals werden nun in Hamm sieben Kolonien zu einer umfassenden Überblicksschau versammelt. Der Fokus liegt dabei auf Norddeutschland, denn, so Friederike Daugelat, „gerade Norddeutschland mit seinen Mooren und Seenplatten, mit den Wäldern, Stränden und Dörfern, in denen die Zeit stillzustehen schien, bot länger als anderswo ideale Bedingungen für die Suche nach dem einfachen Leben in unberührter Natur.“ Beste Voraussetzungen auch für die „Entstehung einer neuen Kunst, die sich als Gegenbewegung zur Verstädterung auf ursprüngliche Lebensformen besinnen wollte.“ Die Arbeiten der rund 40 Maler, die in der Ausstellung präsentiert werden zeigen, wie unterschiedlich sich unter diesen Umständen die Landschaft als eigenständiges Sujet entwickelt hat.

„Ich glaube, daß ich nie eine angeregtere, reichere Zeit erlebt habe, Bildersehen, Kunstgenuß, Musik, Literatur, Spaziergänge, glückliche Arbeit …“, schrieb der Maler Otto Modersohn begeistert über das Lebensgefühl in Worpswede. Die bekannteste deutsche Künstlerkolonie ist Ausgangspunkt der Ausstellung, die zu bekannten und weniger bekannten Maler-Kommunen führt: nach Schwaan bei Rostock und nach Hiddensee, nach Heikendorf an der Kieler Förde und nach Nidden in Litauen, nach Ahrenshoop und nach Ferch bei Potsdam. Für viele Kolonien war die geistige oder örtliche Nähe zur Großstadt mit ihren Kunsthochschulen, einem interessierten Publikum und Ausstellungsmöglichkeiten wichtig.

Impressionismus, Jugendstil und Expressionismus sind in den Künstlerkolonien entstanden und befördert worden, die heute nach drei Arten unterschieden werden: Dem Gasthaustyp wie in Barbizon oder Nidden, dem Landhaustyp wie auf Hiddensee und dem Kolonistentyp. Worpswede gehört zu letzterem. Während in anderen Fällen eine Wohn- und Begegnungsstätte als Zentrum eines freien, künstlerischen Lebens existierte oder ins Leben gerufen wurde, war es hier tatsächlich der Ort selbst, der Künstler anlockte. Sie wurden mit ihren Moorlandschaften international erfolgreich. Und auch in den anderen Kolonien bildeten sich Spezifika heraus: In Ahrenshoop etwa ermöglichte man früh eine akademische Ausbildung, in Nidden fand der Expressionismus zu einer Bildsprache und in Hiddensee fanden insbesondere Malerinnen eine Wirkstätte. Es gab allerdings auch verbindende Elemente in den künstlerischen Arbeiten aller in der Ausstellung vorgestellten Kolonien: die scheinbar unberührte Natur, wechselnde Lichtstimmungen und die Nähe zum Wasser.

Der Erste Weltkrieg setzte der Blütezeit der meisten Künstlerkolonien ein Ende – mehr als 100 Jahre später haben sie nichts von ihrer Anziehungskraft verloren.

Auf einen Blick

Ausstellung: „Lieblingsorte – Künstlerkolonien. Von Worpswede bis Hiddensee“
Ort: Gustav-Lübcke-Museum, Neue Bahnhofstraße 9, 59065 Hamm
Tel.: 02381/175714, Fax: 02381/172989
E-Mail: Museum@Stadt.Hamm.de
Internet: www.hamm.de/gustav-luebcke-museum
Zur Ausstellung ist ein Begleitheft erschienen, das im Museum erworben werden kann (7,00 €).

Öffnungszeiten

Ausstellungsdauer: Bis zum 21. Mai 2017
Di.–Sa., 10–17 Uhr; So., 10–18 Uhr; Mo. geschlossen

Eintrittspreise (inklusive der Dauerausstellung):
Erwachsene: 9,00 Euro
Ermäßigungsberechtigte/Jugendliche ab 16 Jahre: 7,00 Euro
Kinder bis 15 Jahre: 5,00 Euro
Schulklassen und Kindergartengruppen: 5,00 Euro pro Teilnehmer (ggf. zzgl. Führung)
Mitglieder des Museumsvereins: Eintritt frei

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Profile

Das Gustav-Lübcke-Museum der Stadt Hamm ist eines der zwanzig Ruhrkunstmuseen. 1917 übereignete der Kunsthändler Gustav Lübcke seine hervorragende kunstgewerbliche Sammlung seiner Heimatstadt Hamm und ebnete damit den Weg für ein Museum mit überregionalem Profil. Neben ägyptischer Kunst, Vor- und Frühgeschichte und Stadt- und Regionalgeschichte ist das Gustav-Lübcke-Museum heute auf die Malerei des 20. Jahrhunderts und Kunst der Gegenwart spezialisiert. Die Klassische Moderne ist mit Gemälden und Grafiken großer Expressionisten wie August Macke, Emil Nolde, Erich Heckel oder Christian Rohlfs vertreten. Im Bereich der Angewandten Kunst verfügt die Sammlung über Objekte des Jugendstils, der Neuen Sachlichkeit bis zum zeitgenössischen Design: Hier ragen Künstlerkeramiken von Pablo Picasso und A. R. Penck, Stühle von Jean-Charles de Castelbajac oder Memphis-Designerstücke von Ettore Sottsass heraus, außerdem eine hochkarätige Kollektion mit Glasobjekten der Moderne. Seit 1993 ist die Sammlung des Gustav-Lübcke-Museums in dem von den dänischen Architekten Jørgen Bo und Vilhelm Wohlert geplanten Gebäude zu Hause.

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