Übergang und Veränderung – das sind die zentralen Begriffe, die den Arbeiten von Gabriele Musebrink zugrunde liegen. Ihr Anliegen: Die durch sie in Gang gesetzte Transformation des Materials beziehungsweise die sich selbst formenden stofflichen Prozesse beim Trocknen zum Ausdruck zu bringen.
„Werden und Vergehen spielen eine zentrale Rolle in meiner Arbeitsweise“, erklärt die Künstlerin ihren Ansatz. Aus einer meditativen Versenkung heraus nähert sie sich inhaltlich dem jeweiligen Thema, geht in der Umsetzung jedoch sehr intuitiv vor. „In der Reaktion auf die unkontrollierten Werdensprozesse meiner Materialien und im Gleichklang mit den biologischen Abläufen des Lebens vollziehe ich diesen Schritt im Auf- und Abtrag von Gesteinsmehlen und Sanden, von Pigmenten, Tuschen und Emulsionen künstlerisch nach.“ Eine Herangehensweise, die ein ausgeprägtes Empfinden für natürliche Abläufe und profunde Kenntnis der handwerklichen und technischen Möglichkeiten voraussetzt. Gabriele Musebrink, die sich als Malerin in der Tradition des Informel sieht und in ihren Untersuchungen der Stofflichkeit und der Haptik ihrer Materialien mit Emil Schumacher verbunden fühlt, nennt sie diese von ihr entwickelte Technik „Intuitive Prozessmalerei“.
Eine konzentrierte, unaufgeregte Stille herrscht in dem hellen Atelierraum, in dem die Künstlerin arbeitet. Vor den großen Fenstern lädt eine gemütliche Sofaecke zum Entspannen ein, auf einem Tisch zeugen, sauber und ordentlich arrangiert, Naturalien wie Äste, Moose, Schwämme oder Tierschädel von dem Interesse der Künstlerin an natürlichen Prozessen und Formationen. Die Bilder an den Wänden setzen das klassische Landschaftsthema auf abstrakte Weise um – oder scheinen es umzusetzen, denn die erdfarbenen Bildfindungen lassen die Zuordnung zu Mikro- oder Makrokosmos offen. Sie treten aus der Ebene heraus und zeigen lebendige, reliefartige Oberflächen mit stark ausgebildeten Strukturen, aufgebrochen, manchmal rau, mit tiefen Schrunden oder feinen Rissen.
In diesen massiv gebauten opaken Arbeiten führen zahlreiche Schichtungen den Wandel vor Augen, dem das Leben unterworfen ist. Seit sie den „Raum der Stille“ im Klinikum Ludwigsburg durch ihre Arbeit „transluzenz“ mitgestalten durfte, hat dieses Thema neue Impulse erhalten. Es dominiert nun ein lebendiges, tiefes Blau, dessen Massivität auf dem leichten, zweifach grundierten Schleiernessel aufgesprengt und zerlegt wird.
Gabriele Musebrink sieht ihre Arbeit als Schöpfungsprozess: Auf die leere Fläche des Bildträgers bringt sie Materialien auf, beobachtet das Zusammenspiel der Elemente und reagiert darauf, indem sie das, was daraus entsteht, werden lässt, den Prozess unterbricht oder ihn ergänzt. Diesen Kreislauf von Werden und Vergehen in Gang zu setzen, sich auf die ständig sich verändernden Bedingungen einzulassen, die sich ihr offenbaren, und den Moment zu erkennen, in dem sie die Vorgänge beeinflusst – darin besteht für sie ihre Aufgabe als Künstlerin. Wir haben Gabriele Musebrink in Essen besucht und durften ihr bei der Arbeit über die Schulter schauen.
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