Material & Inspiration

Alles über Papier

Teil 1 – Papier ist geduldig


Papier ist geduldig. Mit diesem Sprichwort bezieht sich der Volksmund auf zwei wichtige Eigenschaften des Papiers: auf seine Vielseitigkeit und auf seine Dauerhaftigkeit. Mehr darüber erfahren Sie im ersten Teil unserer kleinen Geschichte der Papierherstellung.

Papier ist aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken. Selbst wiederverwertet kann es seine Qualitäten noch ausspielen. Es verwundert nicht, dass die Nachfrage nach diesem globalen Produkt weltweit stetig steigt, denn kaum ein anderes Material hat so viele unterschiedliche Eigenschaften wie Papier: Papier kann dick und schwer, voluminös und leicht, aber auch sehr dünn und stabil sein. Die Faser kann homogen und flauschig-weich sein, aber auch steif mit einer grob-rauen Oberfläche. Es kann flächig sein oder in jede gewünschte Form gebracht werden. Es kann weiß gebleicht und glatt sein oder gefärbt und Einschlüsse von Fasern, Pflanzen oder Samen aufweisen. Diese Vielseitigkeit macht Papier auch zu einem sinnlichen Erlebnis: Oberfläche und Farbigkeit, Struktur und Textur, Volumen und Faserigkeit sprechen die taktil-haptische, die visuelle und die akustische Wahrnehmung an. Bei all dem bleibt es, richtig gelagert, bis zu zweitausend Jahre haltbar, wie Funde aus China beweisen.

Seit seiner Erfindung weiß sich die Menschheit diese Vielfalt des Papiers zunutze zu machen. Es hat eine umfassende schriftliche Überlieferung erst ermöglicht. Ohne Papier wäre unsere Kultur nicht, was sie ist. Neben seiner Funktion als beschriebener oder bedruckter Informationsträger wird es auch zu Verpackungen, zu technischen, Spezial- und Hygiene-Papieren verarbeitet. Laut Umweltbundesamt lag der Verbrauch von Papier, Pappe und Karton in Deutschland im Jahre 2012 bei 244 kg pro Einwohner beziehungsweise bei insgesamt 20 Millionen Tonnen.

In Anbetracht solcher Zahlen ist es heute kaum noch vorstellbar, dass dieses Massenprodukt bis zur industriellen Revolution ein hochgeschätztes und aufwendig hergestelltes Luxusgut war, für das Pflanzenfasern und Textilien mühsam aufgeschlagen wurden und das man wegen seiner großen Dauerhaftigkeit schätzte.

Papierpulpe (Papierbrei), © Verband der Schweizerischen Zellstoff-, Papier- und Kartonindustrie/ASPI Arbeitgeberverband Schweiz
Papierpulpe (Papierbrei), © Verband der Schweizerischen Zellstoff-, Papier- und Kartonindustrie/ASPI Arbeitgeberverband Schweiz

Gewebe aus Pflanzenfasern

Als die Menschen begannen, ihr Wissen und ihre Gedanken zu fixieren, um sie anderen in Bild oder Schrift mitzuteilen und zu überliefern, haben sie auch angefangen nach Material zu suchen, mit dessen Hilfe Informationen übermittelt und erhalten werden konnten. Das hat weltweit zu unterschiedlichen Lösungen geführt. So wurden die ursprünglich verwendeten unflexiblen und umständlich zu handhabenden Materialien wie Holz, Metall, Muscheln, Stein, Ton oder Wachs im Laufe der Zeit durch flexiblere ersetzt, die billiger herzustellen und einfacher zu transportieren waren.

Am bekanntesten ist der aus einer Schilfgrasart gewonnene Papyrus, der auch im europäischen Kulturraum in Gebrauch war. In Ägypten wurde er vermutlich seit der Mitte des vierten vorchristlichen Jahrtausends verwendet, für den griechischen Kulturkreis vermutet man die Verwendung seit dem sechsten Jahrhundert vor Christus. Um 77 nach Christus beschreibt Plinius der Ältere in seiner „Naturgeschichte“ die Herstellung von Papyrus: Aus dem Mark im unteren Stängelteil der bis zu fünf Meter hohen Papyrusstaude werden dünne Streifen geschnitten und diese zunächst randüberlappend nebeneinander, dann in einer zweiten Schicht quer dazu übereinander gelegt und zu einem festen Blatt gepresst und geklopft. Der stärkehaltige Pflanzensaft, der dabei austritt, hält das so entstandene Blatt zusammen, das noch getrocknet werden muss, bevor es bemalt oder beschrieben werden kann. Der römische Gelehrte überliefert auch die Rezeptur für einen Spezialleim, mit dem die Einzelblätter satiniert, also geglättet, und in einheitlicher Faserrichtung zu Rollen verklebt werden konnten.

Anderswo auf der Welt wurde vor allem der Rindenbast unterschiedlicher Bäume und Sträucher in Wasser eingeweicht und mit Schlaghölzern bearbeitet. Auf diese Weise gewannen die Polynesier ein von ihnen als „Tapa“ bezeichnetes tuchartiges Gewebe, das man bemalte. Auch für das „Huun“ genannte Gewebe der Mayas wurde Rinde geschlagen und bearbeitet. Es diente unter anderem als Schriftträger für Kalender, für Weissagungen sowie zum Aufzeichnen von geschichtlichem und medizinischem Wissen. Die Azteken gewannen ihr „Amate“, indem sie den inneren Bast des wilden Feigenbaums in einer Holzaschelösung kochten, spülten, gitterförmig auf ein Holzbrett legten und anschließend schlugen, damit sich die Fasern ausbreiten können.

Pergament

Parallel zu Geweben aus pflanzlichen Fasern waren zunächst in Ägypten und später im griechischen Kulturraum auch Tierhäute als Beschreibstoff bekannt und wurden zunehmend populär. Denn obwohl das vornehmlich aus der Haut von Ziegen, Schafen und Kälbern gewonnene Pergament aufwendig herzustellen und somit auch teurer war als Papyrus, bot es einige Vorteile: Es war haltbarer, fester und man konnte es falten. Da es glatter war und heller, war es auch einfacher zu beschreiben und zu lesen. Schreibfehler oder hinfällige Texte konnten außerdem problemlos weggeschabt und überschrieben werden. So ersetzten Bücher aus Pergament allmählich die Papyrusrollen. Insbesondere in den mittelalterlichen Klöstern spielte die Schriftkultur eine große Rolle. In den dortigen Skriptorien, den Schreibstuben, wurde christliches Wissen durch das Kopieren alter und das Verfassen neuer Bücher erhalten und erweitert. Neben Ordensmitgliedern, die des Schreibens mächtig waren, gab es auch solche, die sich ausschließlich der Herstellung von Tinten und Schreibstoffen, aber auch der Pergamente widmeten.

Conrad von Murat beschreibt in seinem Traktat „Von der Natur der Tiere“ (13. Jh.) die Verarbeitung von Tierhäuten zu Pergament folgendermaßen: „Die Haut des Kalbes wird, vom Haar befreit, ins Wasser gelegt. Kalk wird hinzugemischt, der alles Rohe wegfressen soll, [die Haut] vollkommen reinigen und die Haare ablösen soll. Ein Reifen wird angepaßt, an dem die Haut ausgespannt wird. Sie wird an die Sonne gestellt, damit alle Feuchtigkeit entweicht. Dann kommt das Messer und entfernt Fleisch und Haare, macht die Haut geschmeidig und fein. Sie wird in Buchform angepaßt: Zuerst wird sie zu Bogen zweimal gefaltet, [dann] werden die Bogen zu gleicher Lage vereinigt. Danach kommt der Bimsstein, der alles Überflüssige beseitigt; Kreide wird aufgetragen, damit das [geschriebene] Werk nicht zerläuft. Löchlein werden eingedrückt, denen die Bleistiftlinie folgt, [und] durch deren Hilfe die Zeile ihren Weg nimmt. Die Haut wird vom Fleisch, das Fleisch von der Haut abgezogen: Ziehe du aus deinem Fleisch die fleischlichen Gelüste.“

Hautpergament findet bis heute Anwendung für wichtige Dokumente wie Urkunden, Wappendarstellungen oder Stammbäume. Seit dem 13. Jahrhundert wurde es allerdings weitgehend von dem in China erfundenen Papier ersetzt. Es wurde aus Textilabfällen (Hadern) hergestellt und war daher wesentlich billiger.

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Das Kopieren und Verfassen von Büchern wird Bildthema. „Die vier Evangelisten“, Miniatur auf Pergament, um 820, Aachen, Dom, Schatzkammer
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Bildnis des chinesischen Hofbeamten Tsai Lun, etwa 18. Jh. © Verband Deutscher Papierfabriken e.V. (VDP)
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Papierherstellung in China. Auf dem Aquarell aus dem 18. Jahrhundert ist zu sehen, wie das Papier mit Bambussieben geschöpft und anschließend auf eine feuerbeheizte Wand aufgebracht wird.

Die Erfindung des Papiers in China

Der älteste heute bekannte Papierfund stammt aus China und datiert auf die Zeit zwischen 140 und 84 vor Christus. Auf wen genau die Erfindung des Papiers zurückzuführen ist, ist nicht bekannt. Seine Herstellung wurde jedoch bereits 105 nach Christus von dem chinesischen Hofbeamten Tsai Lun ausführlich beschrieben. Es ähnelt dem Papiergießen, wie es noch heute in einigen Himalayaländern praktiziert wird. Dazu wurde ein Faserbrei aus Baumrinde, Hanf, Lumpen und alten Fischernetzen mit der Hand auf einem schwimmenden Sieb verteilt und von dem Wasser, das von unten durch das Sieb eindrang, auf der Fläche verteilt. Anschließend wurde das Sieb aus dem Wasser gehoben und an einer schrägen Wand zum Trocknen in die Sonne oder an ein Feuer gestellt. Die getrockneten Bögen wurden dann vom Sieb gezogen. Diese Technik wurde im Laufe der Zeit weiter verfeinert. Als Material für den Faserbrei bevorzugte man in China bald Bambus und ging dazu über, das Papier zu schöpfen, das heißt das Sieb direkt in den Faserbrei einzutauchen und das feuchte Faservlies anschließend vom Sieb zu lösen. Diese Technik weitete sich seit dem 7. Jahrhundert nach Korea und Japan aus. Etwa um diese Zeit wurden vermutlich auch die ersten Papiere in die arabische Welt exportiert, wo bereits ein Jahrhundert später das erste Papier aus eigener Herstellung nachgewiesen werden kann. Von hier aus nehmen die Herstellung und die Verwendung von Papier in den kommenden drei Jahrhunderten ihren Weg via Bagdad, Kairo und Tunis bis nach Spanien. Papier verdrängt das Pergament und hat sich bis zum 14. Jahrhundert im damaligen Europa als Beschriftungsmaterial durchgesetzt.

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Das Herstellen von Pergament wird zum Berufsstand. „Der Permennter“ von Jost Amman aus: „Eygentliche Beschreibung aller Stände auff Erden, hoher und nidriger, geistlicher und weltlicher, aller Künsten, Handwercken und Händeln …“, Frankfurt am Main, 1568
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